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Der Wilde Westen der Daten

Von Eva Stanzl

Wissen
Ob auf Servern oder USB-Sticks: wenig System bei Archivierung von digitalem Wissen.
© Wavebreak/corbis

Wie können wir verhindern, dass digitales Wissen verschwindet?


Wien. Für ihre Arbeit in den Forschungsgebieten Buchmalerei des Mittelalters und Einbandkunde benötigt Maria Theisen naturgemäß Abbildungen. Die Bilder lagern in Bibliotheken. Und diese verlangen Gebühren, wenn Maria Theisen ihre Forschungsergebnisse im Internet weltweit für alle zugänglich macht. "Eine Abbildung kostet 50 bis 250 Euro pro sechs bis zwölf Monate", sagt sie. Das läppert sich. Auch Open-Access-Publikationen kosten Geld. Bei reich bebilderten Forschungsergebnissen genau genommen fast ebenso viel wie Publikationen in Abonnement-pflichtigen Elite-Journalen, deren restriktive Veröffentlichungspraxis im Fadenkreuz der Kritik steht.

"Es herrscht hier offenbar der Bedarf nach Verbesserung", sagte Maria Seissl, Leiterin des Bibliotheks- und Archivwesens der Universität Wien, von Theisen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz auf den Umstand aufmerksam gemacht. Und nicht nur hier. Denn wissenschaftliches Datenmanagement befindet sich in einer Art Wildem Westen, gegen den sich die Digitalisierung der enormen Bestände an alten Dokumenten in Nationalbibliotheken weltweit wie Ordnung ausmacht.

USB-Sticks in Taschen

Die Mammut-Aufgabe ist jene der Archivierung von neuem Wissen, das oftmals nur digital existiert. Eine österreichweite Befragung zum Thema Datenmanagement fördert zutage, dass schon alleine die Wissenschafter ihre Daten ziemlich unaufgeräumt verwalten. Statt Papierbergen auf Schreibtischen sammeln sie nun USB-Sticks in Laptop-Taschen und Laden. "Wir haben die Forscher gefragt, wer sich normalerweise um ihre Daten kümmert. Bei manchen war dies institutionell organisiert, bei anderen aber der Sohn oder andere Familienmitglieder", sagt Jose Luis Preza vom Zentralen Informatikdienst der Universität Wien zur Austria Presse Agentur.

Für die am Donnerstag in Wien präsentierte, von den Universitätsbibliotheken koordinierte Umfrage wurden 3000 Wissenschafter aus 20 Unis und drei Forschungseinrichtungen in Österreich seit 2014 befragt. Sie generieren und verwenden immer mehr Daten und bräuchten Trainings, institutionelle Richtlinien und Fachleute, um diese adäquat zu managen. "Mehr als zwei Drittel der Wissenschafter gaben an, ihre Forschungsdaten individuell und uneinheitlich zu beschreiben", heißt es im Bericht zur Befragung. Jeder Dritte habe sich auch schon damit abfinden müssen, dass wertvolle Aufzeichnungen verloren gegangen seien.

Es gibt eine Bandbreite an Möglichkeiten im Umgang mit Daten. Manche Forscher haben Zugriff auf geschützte Server. Andere speichern sie auf den Festplatten ihrer Laptops. Viele versenden sie als E-Mails, andere drucken sie aus und verschicken sie mit der Post. Tausende Forscher ziehen kein strukturiertes Datenmanagement von der Planung bis zum Ende eines Projekts durch.

Dem gegenüber stehen die Bibliothekare, denen die komplizierte Aufgabe zufällt, die verschiedenen Früchte der Forschung zu archivieren. "Damit Studienergebnisse nachvollziehbar bleiben, müssen wir die Rohdaten speichern. Gleichzeitig müssen wir überprüfen, wie ökonomisch es ist, alle Rohdaten laufend auf den neuesten Software-Standard zu bringen", erklärte Bruno Bauer, Leiter der Medizinischen Universitätsbibliothek Wien. Hinzu komme die Frage der Nachnutzung - also welche Daten man für Folgestudien aufheben muss.

Laut den Experten benötigen Institute Richtlinien, die festlegen, dass auch nach Projektende Langzeitzugriff auf die Daten bestehen muss, und Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen. Für die Langzeit-Verwaltung würde geschultes Personal benötigt. Ein solides Forschungsdatenmanagement sei die Grundlage für eine kooperative, offene Wissenschaft und ihre Nachvollzieh- und Überprüfbarkeit, betonen sie.

Empfehlungen für Verbesserungen soll die Expertengruppe e-Infrastructure Austria erarbeiten, die 26 wissenschaftliche Partner hat. "Bis Ende 2016 soll ein Projektteam den Aufbau von Know-how durch Schulungen, den Aufbau von Dokumentenservern und Repositorien und eines Netzwerks umsetzen", sagt Maria Seissl. Die Maßnahmen inklusive Personal und Infrastruktur sind dem Wissenschaftsministerium 1,3 Millionen Euro an Förderungen wert.