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Star der Forschung verlässt Wien

Von Eva Stanzl

Wissen

Der Genetiker Josef Penninger folgt einem Ruf nach Kanada.


Wien/Vancouver. Josef Penninger ist eine Galionsfigur der österreichischen Wissenschaft. Der Genetiker ist an mehr als 400 Publikationen beteiligt und hat in Wien ein Institut aufgebaut, das in der Champions League der Forschung spielt. Nun verliert das Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihren schillernden Gründungsdirektor: Penninger kehrt Wien den Rücken und übernimmt die Leitung des Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver. Das gab das Imba am Montag bekannt.

Das LSI betreibt Grundlagenforschung zu Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, dem Immunsystem, Krebs und Infektionskrankheiten. Mit 86 Forschungsgruppen ist es das größte Institut seiner Art in Kanada. Zum Vergleich: Im Imba gehen 15 Gruppen den Rätseln der Biologie auf den Grund.

Für Penninger stelle das Angebot eine "reizvolle und spannende Herausforderung dar", schreibt das Imba in einer Aussendung. Die Berufung bringe ihn als führenden heimischen Forscher "in eine internationale Top-Position". Penninger war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Eine Sprecherin des Instituts begründete die für viele Beobachter überraschende Entscheidung mit "Fristen, die bei solchen Angeboten einzuhalten sind". In den kommenden Tagen wolle man Details und Zeitpunkt des Wechsels klären.

ÖAW-Präsident Anton Zeilinger gratulierte dem Imba-Direktor zu seiner neuen Position. Er sieht in der Berufung die Spitzenleistungen der österreichischen Grundlagenforschung bestätigt. "Das Imba ist zu einer bemerkenswerten Erfolgsgeschichte geworden. Josef Penningers Berufung ist eine Wertschätzung der außergewöhnlichen Leistungen unseres Mitglieds und eine Auszeichnung für die heimische Grundlagenforschung", betonte Zeilinger. Die Nachfolge solle mit einer internationalen Ausschreibung gefunden werden.

Penninger wurde am 5. September 1964 im oberösterreichischen Gurten geboren. Nach dem Studium der Fächer Medizin, Kunstgeschichte und Spanisch an der Universität Innsbruck ging er nach Kanada, wo er beim Pharmakonzern Amgen und an der Universität Toronto tätig war. Dort legte er den Grundstein für seine Erkenntnisse zur Funktionsweise des Knochenstoffwechsels. Er entschlüsselte die entscheidende Rolle des körpereigenen Proteins RANKL bei Krankheiten wie Osteoporose oder Brustkrebs. Seine Arbeit bildete die Basis für ein Medikament mit dem Wirkstoff Denosumab, das heute weltweit zur Therapie von Osteoporose eingesetzt wird.

Biotech-Firma mitbegründet

Zwei Mal wurde Penninger in die "Top 10" der "Modernsten Wissenschafter des Jahres" gewählt. Er musste jedoch auch Niederlagen einstecken: Forschungsarbeiten zur Entdeckung eines Gens, das, wie es hieß, Darmkrebs blockiere, konnten nicht wiederholt werden.

2002 folgte er dem Angebot der ÖAW, das Imba im Vienna Biocenter, das damals noch eine grüne Wiese war, aufzubauen. Er entwickelte "sein" Institut zu einer international anerkannten Forschungsstätte für biomedizinische Grundlagenforschung. Auch das Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron, das an Immuntherapien gegen Krebs forscht, begründete Penninger mit. Mit seinen Visionen für den Standort und seinem kritischen Geist prägte der Genetiker die heimische Forschungslandschaft. "Für die Zukunft der Forschung in Österreich wünsche ich mir, dass die Begeisterung für Wissenschaft neu gezündet und die Notwendigkeit der Forschung für die Zukunft erkannt wird", gab er bekannt. Er werde Österreich verbunden bleiben.

Rund um eine mögliche Abwanderung des Genetikers nach Deutschland gingen erstmals im Mai 2015 die Wogen hoch, als ihn das Max-Delbrück-Centrum in Berlin (Jahresbudget: 76 Millionen Euro) abwerben wollte. Mit der Aussicht auf 22,5 Millionen Euro zusätzlich zum Jahresbudget von 15 Millionen für das Imba gelang es dem Wissenschaftsministerium und der Stadt Wien, Penninger zu halten. Mit den Mitteln baut das Imba ein Zentrum für Stammzellforschung auf.