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Der Ozean wird wärmer und hungriger

Von Alexandra Grass

Wissen

Höhere Temperaturen regen den Stoffwechsel der Tiere an und machen Raubfische gefräßiger, beschreibt eine Studie.


Wird der Ozean wärmer, werden die Raubfische hungriger. Diesen Zusammenhang zeigen Wissenschafter des Smithsonian Environmental Research Center (SERC) in einer neuen Feldstudie. Die Auswirkungen zeigen sich kaskadenartig, betreffen viele andere Lebewesen im Ozean und können das Gleichgewicht stören, das seit Jahrtausenden besteht, schreiben sie im Fachblatt "Science".

"Es hat tausende von Jahren gedauert, bis wir diesen Zustand erreicht hatten, und jetzt steigen die Temperaturen plötzlich viel schneller an", betont Meeresbiologin Gail Ashton, Hauptautorin der Studie. "Und wir wissen nicht wirklich, welche Auswirkungen dieser Temperaturanstieg letzten Endes hat."

Die Beute zahlt die Rechnung

Schon frühere Forschungen haben angedeutet, dass Raubtiere in den Tropen aktiver sind, da höhere Temperaturen den Stoffwechsel der Tiere anregen. Die empirischen Belege aus kleineren Studien waren jedoch widersprüchlich. Und nur wenige Studien versuchten, die zentrale Frage zu klären, wie Beutegemeinschaften auf den erhöhten Druck reagieren, der einen Vorgeschmack darauf geben könnte, wie ein wärmerer Ozean der Zukunft aussehen wird. "Wärmere Gewässer begünstigen in der Regel Tiere, die weit oben in der Nahrungskette stehen, die aktiver werden und mehr Nahrung benötigen. Und es sind ihre Beutetiere, die für diese erhöhte Aktivität die Rechnung bezahlen", so Mitautor Emmett Duffy, Direktor des Smithsonian Marine Global Earth Observatory Network. Dies deute darauf hin, dass sich durch die Erwärmung der Meere das Leben in den empfindlichen Lebensräumen am Meeresboden stark verändern könnte.

Die Studie ist eine der bisher umfangreichsten. Das Team koordinierte Partner an 36 Standorten entlang der Atlantik- und Pazifikküste Amerikas von Alaska im Norden bis Feuerland an der Spitze Südamerikas.

Die Temperaturschwelle liege den Forschern zufolge bei etwa 20 Grad Celsius. Diese stelle einen ökologischen Kipppunkt in küstennahen Meeresökosystemen dar. Über dieser Temperatur nehme die Raubintensität zu. "Mit dem Klimawandel werden mehr Küstengewässer diesen Schwellenwert überschreiten oder sich noch weiter erwärmen, was die Funktionsweise dieser Ökosysteme grundlegend verändern wird", so die Biologin Amy Freestone von der Temple University.

Doch was bedeutet ein heißerer, hungrigerer Ozean für den Rest des Lebens im Nahrungsnetz? Untersuchungen, in denen Beutetiere besonderen Schutzmaßnahmen ausgesetzt waren, zeigten, dass der größere Appetit der Raubtiere in wärmeren Gewässern übergroße Spuren in der Beutegemeinschaft hinterließ. So sank die Gesamtbiomasse der Beutetiere in den Tropen, wenn man sie ungeschützt ließ. In den kältesten Zonen machte es jedoch fast keinen Unterschied, ob die Beute ausgesetzt oder geschützt wurde - was darauf hindeute, dass die Raubtiere dort keine große Bedrohung darstellten.

Gewinner und Verlierer

"Wenn sich das Raubtierverhalten ändert, werden einige Arten zu den Gewinnern und andere zu den Verlierern gehören", so Mitautor Greg Ruiz, Leiter des SERC-Forschungslabors für marine Invasionen. "Einige werden verteidigt werden, andere werden verwundbar sein. Aber wir wissen nicht genau, wie sich das entwickeln wird."

Und was in der Zwischenzeit am Äquator passieren wird - wo die Temperaturen noch stärker ansteigen könnten, als die Wissenschaft heute sehen kann -, bleibt ein noch größeres Rätsel.