Zum Hauptinhalt springen

Das Lebenselixier

Von Edwin Baumgartner

Wissen

Der heutige Tag des Wassers erinnert daran, dass der Zugang zu sauberem Wasser ein wenig beachtetes Privileg ist.


Der internationale Tag des Wassers ist heute. Da verbieten sich ausnahmsweise alle ironischen Bemerkungen, die solche kuriose Jubiläen in der Regel hervorrufen. Der Tag des Wassers kommt völlig zu Recht. Dass es in unseren Breiten aus den Wasserhähnen fließt, wann immer es beliebt, darf den Blick darauf nicht verstellen, welchen Wert es hat.

Im Grunde so einfach, eine chemische Formel, die (fast) jeder kennt: H2O: Ein Sauerstoffatom koppelt sich an zwei Wasserstoffatome. Drei Aggregatzustände sind möglich: fest (als Eis), flüssig, gasartig (als Dampf).

Es ist eine Binsenweisheit: Wasser ist, zumindest nach bisherigem Verständnis, die Grundlage des Lebens. Jeder neu entdeckte Planet wird fieberhaft darauf untersucht, ob es Wasser auf ihm geben kann, denn wo Wasser ist, könnte auch etwas anderes existieren, von Bakterien über Moose und Flechten bis zu kleinen Männchen und Weibchen welcher Farbe auch immer. Wasser setzt zerstörerische Kräfte frei und ist die Grundlage von Freizeitspaß vom Badestrand bis zum Wintersport. Nichts geht ohne Wasser. Thales von Milet sieht im Wasser, wohl zu Recht, den Urstoff allen Seins, und die antike Vier-Elemente-Lehre, die auch Aristoteles niederschreibt, erklärt das Wasser zum Element, zusammen mit Feuer, Luft und Erde.

Immer überall verfügbar?

Vor allem aber ist Wasser das beliebig verfügbare Getränk (zumindest in Europa und zumindest bisher - davon später). Seine Verfügbarkeit scheint es an Wert zu mindern. "Es ist schade, dass es keine Sünde ist Wasser zu trinken, rief ein Italiener, wie gut würde es schmecken", ätzte denn auch der Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg.

Wasser, und das sollte man sich ebenso bewusst machen, ist aber auch ein Energielieferant, der seit frühgeschichtlichen Zeiten Mühlräder antreibt, was gar nicht so weit entfernt ist von den Turbinen der Wasserkraftwerke.

Welche Bedeutung es hat, musste man in jüngster Zeit auch in Mitteleuropa erfahren. Es ist wie stets: Erst der Mangel macht den Wert begreiflich. Die Feuerwehr füllt trockene Brunnen auf: Das sind keine Szenen aus Afrika, sondern etwa aus der Steiermark. Die Sommer werden trockener, was jeder weiß, der einen Garten hat. Der zeitweise Starkregen bringt wenig, die ausgetrocknete Erde kann die plötzlich hereinbrechenden Wassermassen nicht speichern. Mancher Gartenbesitzer überlegt bereits, einen Tank zum Auffangen von Regenwasser in den Garten zu stellen für den immer möglicher werdenden Fall, dass die Gemeinden im Sommer den Wasserverbrauch rationieren.

Nur ein Horrorszenarium? Kurz rekapitulieren: 2022 war ein Jahr der Trockenheit; die Donau auf dem Tiefststand, Neusiedlersee und Lobau nur noch Lacken. Die Trockenheit ist nicht eingebildet. Sie wird vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft dokumentiert. Der Klimawandel schlägt voll zu. Davor kann niemand mehr die Augen verschließen. Und das war keine rein österreichische Wetteranomalie. Der Rhein war zeitweise nur noch begrenzt schiffbar, in Frankreich verdorrten Felder.

Dennoch: Die Europäer jammern trotz allem immer noch auf hohem Niveau. In Afrika sieht das wesentlich extremer aus. In Kenia, Somalia und Äthiopien ist im Jahr 2022 die Landwirtschaft aufgrund der Trockenheit nahezu zusammengebrochen. Ackerbau und Viehzucht waren nahezu unmöglich. In Somalia verursachten der Wassermangel und seine Folgen eine Hungerkatastrophe.

Dazu kommt, dass in Afrika Wasser längst schon zum Handelsgut geworden ist. Nahrungsmittelkonzerne wie etwa Nestlé oder Coca Cola, so das ZDF, würden die Privatisierung von Wasser betreiben, indem sie sich den Zugang zu Quellen sichern. Die Konzerne kaufen die Wasserrechte von den staatlichen Behörden. Danach können die Unternehmen das Wasser direkt aus dem Grundwasser abpumpen. Dieses Wasser wird gereinigt und als abgefülltes "Tafelwasser" in Plastikflaschen verkauft.

Recht oder Bedürfnis?

Auf den Weltwasserforen, den Konferenzen des Weltwasserrats, wird über Wasserversorgungsprobleme diskutiert. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (rnd) erinnert daran, dass Nestlé auf dem Weltwasserforum des Jahres 2000 vorgeschlagen hat, den Zugang zu Trinkwasser nicht mehr als Recht, sondern als Bedürfnis zu klassifizieren. Nestlé hält dazu fest, dass sich das Unternehmen "zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Wasser verpflichtet." Es "unterstützt ausdrücklich das Recht auf Wasser für den Grundbedarf, insbesondere für die persönliche Flüssigkeitsversorgung und für die Basishygiene. Nestlé hält an allen Standorten weltweit alle einschlägigen Gesetze und Vorschriften ein, die für unsere Tätigkeiten relevant sind. Es kann nicht in unserem Geschäftsinteresse sein, unsere Wasserquellen falsch zu nutzen. Wir verpflichten uns dazu, diese Wasservorkommen verantwortungsvoll zu nutzen", so das Unternehmen.

Im Jahr 2010 erklärten die Vereinten Nationen Wasser zum Menschenrecht. Nach Schätzungen der Unicef haben freilich immer noch rund 2,5 Milliarden Menschen weltweit keinen zuverlässigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und der Mangel an Wasser ist es auch, der schon in nächster Zukunft, neben Kriegen an erster Stelle als treibender Faktor hinter Migrationsbewegungen stehen wird.

All das macht sicher: Wasser muss selbst dann, wenn man selbst oder das Land, in dem man lebt, scheinbar genug davon hat, als Gut von besonderem Wert angesehen werden. "Das vornehmste Element ist das Wasser", sagte denn auch der altgriechische Lyriker Pindar. Denn wie man es dreht und wendet, am Ende steht fest: Wasser ist Leben.