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Epilepsie senkt die Sozialkompetenz

Wissen
© adobe.stock / Robert Kneschke

Salzburger Forscher konnten bei Jugendlichen Defizite in der Emotionserkennung aufzeigen.


Erstmals haben Forscher einen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Form von Epilepsie mit Defiziten in der Emotionserkennung und sozialer Kognition nachgewiesen. Die Ergebnisse der Untersuchung führen zu neuen therapeutischen Ansätzen, wie die Wissenschafter in der "Zeitschrift für Epileptologie" berichten.

In Österreich leben rund 80.000 Menschen mit Epilepsie. In fünf bis zehn Prozent der Fälle handelt es sich um die juvenile myoklonische Epilepsie (JME), die zumeist im Jugendalter zwischen zwölf und 18 Jahren erstmals auftritt. Das Spektrum der Symptome reicht von Muskelzuckungen bei milder Ausprägung bis hin zu "klassischen" Grand-mal-Anfällen bei schweren Verläufen.

Intellektuell gleichauf

Bildgebende Studien hatten bei Personen mit JME bereits auf Veränderungen im Bereich der Stirnhirnrinde sowie des limbischen Systems hingewiesen, die für die Verarbeitung von Emotionen und Informationen wichtig sind. "Das bedeutet, Menschen mit JME haben vermehrt Schwierigkeiten im psychosozialen Verhalten, jedoch keine intellektuellen Einschränkungen", erklärt Julia Höfler von der Uniklinik für Neurologie in Salzburg.

In einem Projekt wurden insgesamt 62 Personen mit JME-Diagnose, 17 Geschwister und 67 Kontrollpersonen hinsichtlich sozialer Kognition und Emotionswahrnehmung untersucht. Sowohl wenn es darum geht, auf Bildern von Gesichtern Emotionen zu erkennen, als auch bei der Fähigkeit, Rückschlüsse auf den mentalen Zustand des anderen - seine Intention, Überzeugung und Emotion - auf Basis von dessen Verhalten zu ziehen, schnitten Menschen mit JME signifikant schlechter ab als gesunde Versuchsteilnehmer.

Zudem zeigte ein MRT, bei denen Probanden Filmausschnitte mit erschrockenen Gesichtern gezeigt wurden, dass bei gesunden Menschen die Amygdala - ein für die Verarbeitung von Emotion zuständiger Bereich des Gehirns - beidseitig aktiviert, bei Menschen mit JME allerdings vergleichsweise deutlich geringer aktiv war. Und wenn sie während der Untersuchung beurteilen sollten, ob eine Aussage in Bezug auf eine zuvor gelesene Geschichte richtig oder falsch ist, zeigte sich, dass das verbindende Netzwerk zwischen Schläfen und Scheitellappen weniger aktiv war als bei Gesunden.

Für Höfler bestätigen die Ergebnisse die Hypothese, "dass Menschen mit JME Defizite in der Emotionswahrnehmung und -erkennung sowie der sozialen Kognition aufweisen". Um Personen mit dieser Erkrankung bestmöglich zu unterstützen, können den Forschern zufolge psychotherapeutische Interventionen hilfreich sein. Sie haben deshalb an der Salzburger Klinik eine psychosomatische Sprechstunde für Epilepsiepatienten eingeführt. (gral)