Um diese widersprüchlich erscheinende Reaktion bei den ehemaligen Kindersoldaten zu verstehen, gehen die beiden Wissenschafter von der Bildung eines "Netzwerks der Jagd" aus. "Wir nehmen an, dass es ähnlich wie bei einem durch Traumata aktivierten Netzwerk der Angst ein assoziatives Jagd-Netzwerk gibt, das es Menschen ermöglicht, erfahrene Gewalt zu bewältigen und selbst ausgeübte Gewalt als attraktiv oder sogar lustvoll zu erleben", sagt Elbert. Erlebnisse, die eigentlich traumatisch sind, werden somit zu einem lustvollen Erinnerungsgewebe verarbeitet. "Bei der lustvollen Jagdaggression ist der Mensch nicht hilflos und ohnmächtig, sondern er setzt sich durch." Dies könne durchaus eine Strategie sein, um seine schier unfassbaren Erfahrungen zu bewältigen. "Während Gewalterlebnisse bei traumatisierten Opfern erneut eine Alarmreaktion auslösen können, kann dieselbe Gewalt bei den ‚Jägern‘ eine positive Erregung und Lust bewirken."

Wer jagt, fühlt sich gut, weil eine Vielzahl von Hormonen, Neurotransmittern und -modulatoren wie Testosteron, Serotonin, Endorphine und Cortisol euphorisieren und das Schmerzempfinden hemmen. Wäre das nicht so, würden Menschen erst gar nicht jagen, meint Elbert. "Das Jagen an sich muss lustvoll sein, Fleisch zu haben oder - bei jagdähnlichen Spielen - das Fußballtor zu erzielen, reichen allein als Motivation nicht aus."

Stabile Verbindung von Gewalt und Euphorie

Gewalt und Euphorie gehen im "Jagd-Netzwerk" eine weitgehend stabile Verbindung ein und verändern dabei die Hirnstrukturen. So werden die Kontrollfunktionen des präfrontalen Cortex, des Stirnhirns, die üblicherweise aggressive Reaktionen mäßigen, ausgeschaltet. Das Gehirn, ein überaus anpassungsfähiges Organ, hat sich verändert. "Wird das Töten einmal als lustvoll erlebt, ist eine Grenze überschritten", sagt Elbert: "Zu morden kann eine Art Sucht werden. Ehemalige Kindersoldaten erzählen, dass sie manchmal noch abends losgezogen seien, weil sie so einen starken Drang hatten, zu kämpfen." Es habe auch Anführer gegeben, die in regelmäßigen Abständen Blut sehen mussten.

Kann man ehemalige Kindersoldaten therapieren? "Ja", sagen die Forscher, die Verfahren dazu entwickelt haben. "Indem die Gewalt durch eine Psychotherapie im Kontext der Kriegserlebnisse verortet wird, können Gewalttaten in der zivilen Gesellschaft verhindert werden."