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Getrennte Wege gehen

Von Barbara Sorge

Wissen

Die Entscheidung, sich scheiden zu lassen, ist keine, die man von heute auf morgen treffen sollte. Immerhin geht es dabei um die Trennung zweier Leben. Alles, was bei der Hochzeit zusammengekommen oder in der Ehe
miteinander erworben worden ist, muss wieder aufgeteilt werden. Ein kurzer Überblick über die rechtliche Situation, der keine individuelle Beratung und Information ersetzen kann.


Eine Scheidung ist nicht nur das Ende des gemeinsamen Lebens mit einem früher geliebten Partner, sondern hat damit verbunden auch weitreichende persönliche, rechtliche und finanzielle Auswirkungen. Auch wenn die meisten Ehen letztendlich einvernehmlich getrennt werden, ist jede Scheidung – wie auch jede Ehe – sehr individuell. Daher gibt es keinen "Leitfaden", was wann zu tun ist, wie bei Hochzeitsvorbereitungen. So heißt es auch auf der Website des Bundeskanzleramts help.gv.at: "Vor einer Scheidung ist immer eine eingehende Beratung über die Scheidungsfolgen erforderlich. Auf Grund der umfassenden, mit einer Ehescheidung verbundenen Rechtsfolgen hat das Bundesministerium für Justiz bisher davon abgesehen, ein Antragsformular für eine einvernehmliche Scheidung aufzulegen."

Das Einzige, worüber sich Trennungs-Ratgeber und Anwälte einig sind, ist, dass man keine voreiligen Schritte setzen sollte. "Ohne Überlegung davonzulaufen ist selten eine gute Sache", sagt auch Ursula Xell-Skreiner, Rechtsanwältin und Expertin für Scheidungen in Wien, die gemeinsam mit Astrid Deixler-Hübner von der Universität Linz den Ratgeber "Scheidung kompakt – Ein Trennungsratgeber für Frauen und Männer" (LexisNexis Verlag ARD Orac) verfasst hat. Sie bietet, wie andere Anwälte auch, eine "Was wäre wenn?"-Beratung an, die hilfreich sein kann, um ein möglichst klares Bild davon zu bekommen, wie ein Leben nach der Trennung für einen aussehen und ob und wie man sich das finanziell leisten kann. Neben der Informationssuche im Internet oder in Büchern bieten auch Bezirksgerichte an Amtstagen Informationen und kostenlose Beratungen in allen rechtlichen Fragen an.

Erst wenn man sich selbst über das weitere Vorgehen im Klaren ist, sollte man den Partner informieren. Das ist auch notwendig, denn auf einseitigen Wunsch kann man sich nicht scheiden lassen: "Die Ehe ist noch immer ein Vertrag", erklärt Rechtsanwalt und Familienrechtsexperte Marco Nademleinsky. "Entweder man hebt den Vertrag beiderseitig im Einvernehmen auf, mit einer einvernehmlichen Scheidung. Oder man klagt letzten Endes auf Ehescheidung, das ist eine Klage bei Gericht, die gegen den anderen Ehepartner gerichtet ist, und darauf lautet, dass er aus seinem Verschulden die Ehe zerrüttet hat und die Ehe daher geschieden werden muss. Man muss dem anderen das vorwerfen, was er dazu beigetragen hat, dass die Ehe zerrüttet ist."

Prinzipiell kann eine Scheidung auch ohne Rosenkrieg über die Bühne gehen, ohne die aufreibende Suche nach der Schuld für die Zerrüttung der Ehe. Die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung sind, dass die eheliche Gemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben ist und dass sich die Ex-Partner über die wesentlichen Folgen der Scheidung einig sind. Wenn es Kinder aus der Ehe gibt, braucht es eine Obsorgeregelung, eine Kontaktregelung ("Besuchsrecht") und eine Kindesunterhaltsvereinbarung. Weiters muss geklärt werden, ob nachehelicher Unterhalt geschuldet wird bzw. wer wem was schuldet. Außerdem muss die Frage beantwortet werden, was mit dem bisherigen ehelichen Wohnsitz und dem ehelichen Gebrauchsvermögen geschieht und was an ehelichen Ersparnissen oder Schulden vorhanden ist, die zu teilen sind.

Den schriftlichen Scheidungsvergleich, in dem diese Dinge festgelegt sind, müssen die Partner dem Gericht unterbreiten oder ihn vor dem Gericht abschließen. Die Gebühren betragen für den Antrag auf einvernehmliche Scheidung  und den Scheidungsvergleich jeweils 266 Euro. Mit Liegenschaftstransaktionen beim Scheidungsvergleich (wenn zum Beispiel die Eigentumswohnung auf einen Ex-Gatten übertragen wird) kommt die Gebühr für diesen auf 398 Euro.

Neues Familienrechtspaket
Was Kinder anbelangt, hat sich mit Inkrafttreten des neuen Familienrechtspakets am 1. Februar einiges geändert. Das Kindeswohl ist nun gesetzlich verankert und definiert. Es soll Vorrang haben vor allen anderen Erwägungen. Zu den Kriterien zählen etwa eine "angemessene Versorgung", "Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes" und "verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen". Auch bei einvernehmlicher Scheidung ist nun eine verpflichtende Elternberatung vorgesehen. Außerdem hat das Gericht in Zukunft die Möglichkeit, bei strittigen Scheidungen – und gegen den Willen der Eltern – eine gemeinsame Obsorge zu verfügen, wenn dies dem Kindeswohl zugutekommt. Bei Obsorge-Streitfällen soll künftig eine "Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung" verhängt werden: Das Gericht entscheidet für sechs Monate oder auch länger über eine vorläufige Lösung. Beide Elternteile haben in dieser Zeit Kontakt zum Kind, wobei einer die hauptsächliche Betreuung übernimmt. Die bisherige Obsorgeregelung – bei ehelichen Kindern also die gemeinsame Obsorge – bleibt vorerst aufrecht. Nach dieser Zeit hat das Gericht auch aufgrund der Erfahrungen aus dieser Testphase über die endgültige Sorgerechtsregelung zu entscheiden. Würde die Testphase dem Kindeswohl allerdings widersprechen, findet sie nicht statt.

Nachehelicher Unterhalt
Je nachdem, wie die Einkommenssituation der Ex-Ehegatten aussieht, kann es sein, dass die eine Seite zum nachehelichen Unterhalt für die andere verpflichtet ist. Die Höhe des Unterhalts ist davon abhängig, ob der Unterhaltberechtigte erwerbstätig ist oder nicht und ob ihm eine Berufstätigkeit zumutbar ist. Auch die Frau kann, wenn sie mehr verdient als ihr Ex-Mann, zu Unterhalt verpflichtet sein.

Generell sollte auch bei einer einvernehmlichen Scheidung nicht vorschnell auf Unterhalt verzichtet werden, da dies auch einen Verzicht auf die Pension des anderen Ehegatten und in manchen Fällen auf die Mitversicherung bei der Krankenkasse bedeutet. Sollte man auf Unterhalt verzichtet haben, gibt es noch ein "Sicherheitsnetz", wenn man im Lauf des weiteren Lebens in der Existenz bedroht sein sollte: In einer solchen Situation kann die Rechtsprechung den abgegebenen Unterhaltsverzicht als sittenwidrig beurteilen. In jedem Fall gilt es, die näheren Umstände der Unterhaltspflicht möglichst detailliert festzuhalten. Zum Beispiel, dass der Unterhalt, wenn er einen Prozentsatz des Einkommens des Ex-Ehegatten ausmacht, bei einer Gehaltserhöhung entsprechend angepasst wird. Auf den Kindesunterhalt kann nicht verzichtet werden.

Richter entscheidet
Beim Vermögen sollte nicht nur einfach im Scheidungsvergleich stehen, dass man sich geeinigt hat, sondern die Aufteilung sollte auch tatsächlich passiert sein. Oft kommt es sonst im Nachhinein zu Streitereien, weil es beide Ex-Ehepartner als logisch ansehen, dass das eine oder andere Ding natürlich nur ihm oder ihr gehören kann.

Die Scheidung erfolgt an jenem Gericht, das vom letzten gemeinsamen Wohnsitz der beiden Eheleute dafür zuständig ist. Bei einer einvernehmlichen Scheidung kann auch einvernehmlich bestimmt werden, dass man ein anderes Gericht wählen will. Welcher Richter die Sache entscheidet, kann man sich nicht aussuchen, das ist vom Anfangsbuchstaben des Nachnamens abhängig. Die Verfahrensführung liegt zu 80 oder 90 Prozent in der Hand des Richters, er hat die Pflicht, die gegnerischen Parteien anzuleiten.
Prinzipiell ist so zumindest in der ersten Instanz, bei einer einfachen Lage und Einvernehmen keine anwaltliche Vertretung notwendig. "Wenn der Gegner einen Anwalt hat, sollte man aber auch einen nehmen", rät Nademleinsky. Ein Anwalt kann einen auch gut darauf vorbereiten, was einen bei Gericht zu erwarten hat – "es ist bei uns nicht wie in Amerika mit Kreuzverhören zu rechnen oder damit, dass man von Anwälten in die Mangel genommen wird" – und was alles im Scheidungsverfahren, im Aufteilungsverfahren, im Unterhaltsverfahren und im Sorgerechtsverfahren geregelt werden muss. Schafft man nämlich keine einvernehmliche Scheidung, wird im Scheidungsverfahren erst einmal nur die Ehe getrennt; für jeden weiteren Bereich gibt es ein eigenes Verfahren. Erst binnen einen Jahres kann ein Prozess zur Aufteilung des Vermögens geführt werden. Das kann lang und teuer werden, was sicherlich auch ein Grund dafür ist, dass meistens auf eine einvernehmliche Scheidung hingewirkt wird.

Ein Grund für das Scheitern einer einvernehmlichen Scheidung ist oft der Streit um die Obsorge für die Kinder. Es kann aber auch sein, dass man sich bei einem Verfahren mehr an Unterhalt erwartet oder der Ex-Partner nicht einsieht, dass er Unterhalt zahlen soll. In solchen Fällen wird ein Scheidungsverfahren "abgeführt", wie es im juristischen Jargon heißt.
Bei der strittigen Scheidung muss zur Feststellung des Verschuldens das Eheleben aufgerollt werden. Es muss festgestellt werden, wann es wodurch zur "Zerrüttung" der Ehe gekommen ist. War es Ehebruch, körperliche Gewalt, die Verletzung der Beistandspflicht in Krankheit, Krise oder bei der Betreuung der Kinder oder die grundlose Aufhebung der Hausgemeinschaft? Alles "Eheverfehlungen", die sich wiederum aus den Pflichten ableiten, die man mit der Eheschließung eingegangen ist.

Der Zeitpunkt, ab wann eine Ehe als zerrüttet gilt, ist insofern wichtig, weil Verfehlungen, die nach diesem Zeitpunkt geschehen, rechtlich nicht mehr so dramatisch sein können. Das ist allerdings ein Risiko im Prozess, da es darauf ankommt, wem der Richter glaubt. "Solchen Streitigkeiten sollte man aus dem Weg gehen, es kann sein, dass etwas anderes festgestellt wird, als man sich das gedacht hat. Man kann am Anfang nicht immer alles wissen, wie es ausgeht und was auf der Gegenseite alles herauskommt", sagt Xell-Skreiner.

Nein, die Entscheidung, sich scheiden zu lassen, ist keine, die man leichtfertig oder von heute auf morgen trifft. So wie die Ehe sollte auch dieser Schritt genau überlegt sein.

Erschienen im "Wiener Journal" am 15. Februar 2013

BUCHTIPPS:
"Scheidung kompakt – Ein Trennungsratgeber für Frauen und Männer". Dr. Ursula Xell-Skreiner und Univ.-Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner. LexisNexis Verlag ARD Orac
"Ehe & Scheidung auf österreichisch".
Herausgegeben von Dr. Ewald Maurer. Manz, 2010

INTERNET:
www.help.gv.at
www.konsument.at
www.arbeiterkammer.at
www.nademleinsky.at
www.xell-skreiner.at
www.rechtsfreund.at/scheidung.html
www.scheidungen.at/service
•  http://ec.europa.eu/civiljustice/divorce/divorce_aus_de.htm