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Coronavirus auf der Spur

Von Alexandra Grass

Wissen
Ein neuer Stamm des Coronavirus stellt für die Wissenschaft eine Herausforderung dar.
© corbis

Erste Erfolge im Versuchslabor. Derzeit liegt Sterblichkeit bei über 50 Prozent.


Wien. Seit Mitte 2012 hat das aggressive Coronavirus hCoV-EMC (humanes Coronavirus-Erasmus Medical Center) 14 Menschen befallen, von denen acht an einer Lungenentzündung mit Nierenversagen verstarben. Im Kampf gegen diese neue Erregerart ist ein internationales Forscherteam nun einen wichtigen Schritt weitergekommen.

Bisher war bekannt, dass das Virus in enger Verwandtschaft zu den Fledermaus-Coronaviren steht. Doch im Gegensatz zum auch zu dieser Virenart zählenden Sars-Erreger, der in den Jahren 2002 und 2003 ausgehend von Asien sein Unwesen trieb, gelangt hCoV-EMC anders in den menschlichen Körper. Das Virus nutzt als Eintrittspforte das Spaltenzym DPP4 (Dipeptidylpeptidase 4), das sich an der Oberfläche vieler Zellen befindet, wie die Forscher um Bart Haagmans vom Erasmus Medical Center in Rotterdam im Fachblatt "Nature" schreiben.

Mit Antikörpern geblockt

Diese Entdeckung, wie sich das Virus auf menschlichen Zellen in den Atemwegen breitmacht, eröffnet den Wissenschaftern Möglichkeiten, dessen Herkunft zu studieren und entsprechende Therapien durch Medikamente oder Impfungen zu erforschen. In ersten Versuchen war es möglich, die Bindungsstelle des Virus an DPP4 mittels eines Antikörpers zu blocken, um ein Befallen der Zelle zu verhindern. Umgekehrt konnten die Wissenschafter für das Virus unempfängliche Affenzellen infizieren, wenn sie diese mit besagtem Enzym von Menschen oder Fledermäusen ausstatteten.

"Durch die Kenntnis des Rezeptormoleküls haben Forscher nun einen Fuß in der Tür, um gezielt nach antiviralen Stoffen zu suchen", erklärt der Virologe Thorsten Wolff vom Robert Koch-Institut in Berlin.

Die beteiligten Forscher betonen in "Nature", dass nur epidemiologische Daten zeigen können, wie stark sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch verbreitet. Auch gilt es noch, die tatsächliche Gefährlichkeit abzuschätzen. Derzeit liegt die Sterblichkeit immerhin bei über 50 Prozent. Es könnte aber auch viele bisher unerkannte Fälle geben, wo nur milde Symptome auftreten. Die Erkrankung dann vielleicht wie ein gewöhnlicher Infekt mit Schnupfen verläuft. Diese Daten fehlen aber noch, betonen die Wissenschafter. Bisher war es in Großbritannien auch nur in einem Fall zu einer Übertragung von Mensch zu Mensch gekommen.

Auf die Zelloberfläche

Um auf Menschen überzuspringen - wie etwa auch Vogel- oder Schweinegrippenviren -, müssen die Erreger die Möglichkeit haben, über Proteine auf die Oberfläche der Zellen zu gelangen. Bei der schweren Lungenerkrankung Sars (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom), der Vorgängererkrankung eines Coronastammes, erfolgt dies über den sogenannten ACE2-Rezeptor (Angiotensin converting enzyme 2). Mehr als 8000 Menschen waren damals davon betroffen, mehr als 750 Erkrankte waren daran verstorben.

Sars kann allerdings als medizinische Erfolgsgeschichte gesehen werden. Dank konsequenter Isolation der Erkrankten sowie schneller, transparenter Zusammenarbeit der Forscher auf der ganzen Welt konnte das Virus innerhalb von nur fünf Monaten gestoppt werden.

Für gewöhnlich lösen Coronaviren Erkältungen aus. Vier solcher Schnupfenviren können Menschen infizieren. Doch Sars und das neue hCoV-EMC sind anders. Sie verursachen zwar ein ähnliches Krankheitsbild, allerdings mit schweren Lungenentzündungen und teilweise Nierenversagen. Bisher ist das neue Virus in Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und Großbritannien nachgewiesen worden.