Zum Hauptinhalt springen

Zika-Höhepunkt überschritten

Von Alexandra Grass

Wissen

In zwei bis drei Jahren könnte ein großer Prozentsatz der Bevölkerung in Lateinamerika immun sein.


London/Wien. In drei Wochen werden in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele 2016 eröffnet. Einige Sportler erregen dort aber wohl nicht wegen ihrer besonderen Leistung, sondern vielmehr aufgrund ihrer Absenz Aufmerksamkeit. Der Grund für ihr Fernbleiben vom Wettkampf ist das nach wie vor in Lateinamerika grassierende und vielfach gefürchtete Zika-Virus, das bei ungeborenen Kindern massive neurologische Schäden hervorrufen kann.

Phänomen Herdenimmunität

Der Höhepunkt der dortigen Zika-Epidemie sei mittlerweile überschritten, beruhigt unterdessen ein internationales Forscherteam um Neil Ferguson von der School of Public Health am Imperial College in London. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre sei die gegenwärtige Welle weitgehend überwunden. Bis dahin könnte ein so großer Prozentsatz der Bevölkerung immun gegen das Virus sein, dass es sich kaum noch weiter verbreitet, zeigen nun Rechenmodelle der Wissenschafter. Das Phänomen wird Herdenimmunität genannt. Sie wirkt ähnlich wie eine Brandschneise bei einem Feuer. Die Infektionskette eines Erregers ist damit unterbrochen - dies kann durch große Krankheitswellen, aber auch durch Impfungen hervorgerufen werden.

Dank bestimmter Antikörper, die sich im Organismus eines an Zika erkrankten Menschen bilden, sei es nicht möglich, ein zweites Mal an dieser Infektion zu erkranken, schildert Ferguson im Fachblatt "Science". Die nächste große Epidemie sei frühestens zehn Jahre später wieder zu erwarten, schätzen die Forscher. Dann könnten aber auch die Folgeerscheinungen für Ungeborene ausbleiben. Schwangere scheinen nur dann gefährdet zu sein, wenn das Virus erst kurze Zeit um sich schlägt.

"In Afrika, wo das Virus schon seit einer langen Periode zirkuliert, haben wir diese negativen Auswirkungen nach einer Schwangerschaft nicht beobachtet", betonte erst vor wenigen Wochen Matthew Aliota von der School of Veterinary Medicine der University of Wisconsin-Madison. Das scheine der Fall zu sein, weil die Menschen dort schon früh in ihrem Leben, zumeist als Kinder, mit Zika in Kontakt kommen und damit für den Rest ihres Lebens geschützt sind. Ein solches Szenario wäre in Lateinamerika auch möglich.

Mehr Fragen als Antworten

Nach wie vor gebe es rund um Zika jedoch mehr Fragen als Antworten, betont Ferguson. Vorhersagen seien demnach schwer möglich. "Im schlimmsten Fall wird Zika in Lateinamerika zu einem regionalen Dauerzustand mit regelmäßigen kleinen Ausbrüchen. Die Schlüsselfrage ist, warum das Virus gerade diese Region in solch explosiver Weise vereinnahmt hat." In Asien etwa seien Infektionen nur marginal zu beobachten. Ein Grund könnte das besondere Klima in Lateinamerika sein, das dazu beigetragen habe, den Krankheitserreger zu streuen. Allerdings könnten auch genetische Mutationen eine Rolle spielen, erklärt der Forscher in der Publikation. Ebenso könnte eine vorangegangene Dengue-Infektion eine Zika-Infektion begünstigen. Beide Viren werden hauptsächlich von der Mücke Aedes aegypti übertragen.

Eine direkte Bekämpfung dieses Überträgers - etwa durch sterilisierte Mückenmännchen - wäre den Wissenschaftern zufolge allerdings kontraproduktiv. Dies würde eine erfolgreiche Herdenimmunität nur verzögern. Eine Zika-Impfung gilt derzeit als bester Weg, um Menschen zu schützen. Noch heuer wollen Forscher aus Brasilien und den USA mit ersten Impfstoff-Tests starten.

Erst jüngst hatte der in Wien börsennotierte Impfstoffentwickler Valneva angekündigt, in den kommenden Monaten mit klinischen Untersuchungen starten zu wollen. Basis für die Entwicklung ist eine Vakzine gegen Japanische Enzephalitis, die bereits in den USA, der EU und einigen anderen Ländern zugelassen ist. Beide Krankheiten werden durch von Insekten übertragene Flaviviren ausgelöst.

Während Olympia könnte das Gesundheitsrisiko für die Öffentlichkeit im Übrigen saisonbedingt niedriger sein - in Brasilien herrscht derzeit Winter.