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Resistenter Superkeim ist vor 200 Jahren im Igel entstanden

Von Eva Stanzl

Wissen
Man müsse sich, so die Forscher, trotzdem nicht vor den Insektenfressern im Stachelkleid fürchten.
© Pia B. Hansen

MRSA geht nicht auf Antibiotika-Missbrauch zurück, sondern wurde vom Igel auf Viehbestände und von ihnen auf Menschen übertragen.


Der antibiotikaresistente Superkeim MRSA ist lange, bevor es diese Medikamente überhaupt gab, im Tierreservoir entstanden. Das berichtet die britische Universität Cambridge im Fachmagazin "Nature". Laut dem Forschungsteam bildete sich der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus bereits vor rund 200 Jahren in Igeln.

Das auf der Haut und in den Schleimhäuten von vielen gesunden Menschen vorkommende Bakterium reagiert auf kein Gegengift und ist eines der größten medizinischen Probleme der Gegenwart. Bisher wurde angenommen, dass es entstanden ist, weil die Menschheit ihre Nutztiere und Nutzpflanzen übermäßig mit Antibiotika füttert oder düngt, damit diese gesund und attraktiv auf dem Teller landen. Laut den Forschenden ist MRSA jedoch nicht menschengemacht, sondern eine Ausgeburt der Natur.

Wohl kaum ein Wildtier ist so beliebt wie der Igel. In Märchen hat er die Rolle des Schlauen, der den Hochmütigen besiegt, in Comics gibt er den humorvollen Weisen. Allerdings wird davon abgeraten, ihn anzufassen. In ihrem Stachelkleid beherbergen Igel Pilze und Bakterien, die gegeneinander um Lebensraum kämpfen. Die Pilze scheiden natürliche Antibiotika aus, um die Bakterien umzubringen, die ihrerseits Resistenzen aufgebaut haben und zum Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus evolviert sind.

"Bis zu 60 Prozent aller Igel beherbergen einen Typus von MRSA namens mecC-MRSA, der eine von 200 Infektionen mit dem Superkeim im Menschen verursacht. Medizinische Antibiotika haben die Entstehung dieses Keims aber nicht ausgelöst", berichtet das internationale Forschungsteam in einer Aussendung der Universität. Demnach hat der Keim seine enorme Widerstandsfähigkeit bereits vor 200 Jahren ausgebildet und so im Konkurrenzkampf mit einem Pilz des Typus Trichophyton, eine Gattung in der Abteilung der Schlauchpilze, die ihre eigenen Antibiotika erzeugt, überlebt.

"Mit Hilfe von Sequenzierungstechnologien haben wir jene Gene, die mecC-MRSA seine Super-Resistenz verleihen, bis zu ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert zurückverfolgt," erklärt Studienautor Ewan Harrison. "Nicht etwa der Einsatz des Antibiotikums Penicillin rief den Superkeim auf den Plan, sondern es waren natüröoche biologische Prozesse. Wir gehen davon aus, dass MRSA sich vom Igel auf Viehbestände und von ihnen durch direkten Kontakt auf den Menschen übertragen hat."

Obwohl der eingangs beschrieben Antibiotika-Missbrauch nicht die Ursache sei, verstärke er dennoch das Problem. Antibiotika-resistente Keime sind weltweit in alarmierendem Ausmaß vorhanden. Und da nahezu alle gängigen Antibiotika in der Natur entstanden sind, könnte es immer mehr davon geben. Missbrauch zwingt die Evolution, die widerstandsfähigsten Stämme zu bevorzugen, sodass es immer nur eine Frage der Zeit sei, bis die Bakterien-Killer nicht mehr wirken. "Unsere Studie ist als Warnung vor Antibiotika-Missbrauch zu verstehen. Es gibt ein riesiges Wildtier-Reservoir, in dem resistente Keime überleben", betont Studienautor Mark Holmes, Veterinärmediziner an der Universität Cambridge.