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Der Geist der Berge

Von Gerald Jatzek

Wissen

Zwölf Länder bemühen sich um den Schutz des Schneeleoparden.


Die meisten Menschen kennen Schneeleoparden nur aus dem Zoo.
© Creative Commons - Dingopup

Wer einen Schneeleoparden in seiner angestammten Umgebung sehen will, braucht viel Ausdauer und noch mehr Geduld. Die Kirgisen nennen den einsamen Jäger, der zumeist in Lagen zwischen 3.000 und 5.500 m unterwegs ist, den Geist der Berge. Dennoch ist die Großkatze vom Aussterben bedroht. Jäger haben es auf ihr dichtes Fell abgesehen, Viehzüchter bekämpfen sie mit Fallen, und, erwartungsgemäß, verlangt die traditionelle chinesische Medizin nach ihren Klauen und Knochen.

Schneeleoparden sind die Großkatzen, über die man am wenigsten weiß. Viele Erkenntnisse stützen sich auf Beobachtungen in Zoos. Die Tiere sind kleiner und leichter als Leoparden und Geparden mit einer Schulterhöhe von etwa 60 Zentimeter und einem Gewicht zwischen 35 bis 40 kg (Weibchen) und 45 bis 55 kg (Männchen). Auffällig ist der buschige Schwanz. Er dient sowohl der Balance im felsigen Gelände wie dem Kälteschutz dient, indem er wie eine Stola über den Kopf gelegt wird. Weitere Anpassungen an den kühlen Lebensraum sind das dicke Fell und die Behaarung der Fußsohlen, die gleichzeitig die Oberfläche vergrößert und so das Laufen im Schnee erleichtert.

Mit seinem einzigen natürlichen Feind, dem Wolf, könnte der einzelgängerische Schneeleopard gut leben. Sein Problem ist der Mensch, dem er selbst in kargen Revieren mit bis zu mehreren Hundert Quadratkilometern – meist liegt die Größe bei etwa dreißig Quadratkilometern – nicht entkommt.

Die Beobachtungsstelle TRAFFIC (Trade Records Analysis of Flora and Fauna in Commerce) geht davon aus, dass seit 2008 jährlich zwischen 221 und 450 Exemplare gewildert wurden.

Die Schätzungen über die Gesamtpopulation schwanken zwischen 4.000 und 6.500 Exemplaren. Tiere, die in den Bergen Zentralasiens leben, vom Tien-Shan-Gebirge im Westen bis zu den Ausläufern des Gobi-Altai im Osten, vom Altai im Norden bis zum Himalaya im Süden. In Staaten ausgedrückt bedeutet das zwölf Länder: Afghanistan, Bhutan, China, Indien, Kasachstan, Kirgistan, die Mongolei, Nepal, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan.

Die meisten Bilder in freier Wildbahn stammen von Fotofallen.
© NFC India / now Leopard Trust

Diese haben im Herbst 2013 das Global Snow Leopard and Ecosystem Protection Program (GSLEP) gegründet, das die staatliche und nicht-staatliche Organisationen und Gemeinschaften vor Ort miteinander vernetzt. Ihr ehrgeiziges Ziel ist die Schaffung von zwanzig sicheren Lebensräumen für die Großkatzen bis 2010. Jedes dieser, in vielen Fällen länderübergreifenden Habitate soll von zumindest 100 Tieren im geschlechtsreifen Alter bewohnt werden.

Ausschlaggebend für die Umsetzung ist freilich, dass die lokale Bevölkerung mitspielt. Das war auch ein wesentlicher Punkt beim zweiten Treffen der GSLEP am 20. und 21. Jänner in Kathmandu. Da die Menschen ihm immer näher rücken, hat der Schneeleopard seine Ernährung umgestellt. Jagte er ursprünglich vor allem wilde Schafe und Steinböcke sowie Nagetiere und Hasen, so schlägt er heute auch Yaks, Rinder, Pferde und Schafe auf der Weide. In Gebieten, in denen die Viehzucht den Wildbestand drastisch reduziert hat, machen die Zuchttiere bereits drei Viertel seiner Beute aus. Die betroffenen Bauern schnappen dann schon einmal ihre Gewehre, um den Räuber zu erlegen. Solche Vergeltungsmaßnahmen sind laut Experten der Grund für rund die Hälfte aller Tötungen. "Ihr Motiv ist nicht Gier oder Grausamkeit, es ist Verzweiflung", kommentiert ein Mitarbeiter der NGO Snow Leopard Trust.

Das Verbreitungsgebiet des Schneeleoparden in Zentralasien.
© snowleopardconservancy.org

Will man das verhindern, braucht es eine ökologisch sinnvolle Strategie, die Probleme wie die Überweidung und die Erosion in vormals nomadisch genutzten Gebieten miteinbezieht. Diese fordert von den Menschen vor Ort gleich ein doppeltes Opfer:

• Einerseits müssen die Viehzüchter damit leben, dass der Schneeleopard Nutztiere schlägt.

• Andererseits wird von ihnen verlangt, die Zahl der Nutztiere zu verringern, um die Überweidung zu stoppen.

Regulierung ist notwendig

Für die Staaten bedeutet das Eingriffe in bisher nicht oder kaum regulierte Sektoren. In der Mongolei, in der 83% der Fläche landwirtschaftlich genutzt wird, hat sich etwa der Viehbestand in den vergangenen Jahrzehnten auf 36 Millionen erhöht, vor allem aufgrund der weltweiten Nachfrage nach Kaschmirwolle. Im Verein mit staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Sesshaftigkeit und des privaten Grundbesitzes hat das zur weitgehenden Aufgabe bewährter Einschränkungen der Beweidung geführt. Unter dem ökonomischen Druck wächst das Risiko der Verödung vor allem in den südlichen Steppen.

Eine einfache Rückkehr zu den früheren Verhältnissen ist illusorisch. Ein Umdenken vor Ort muss ökologische Einsichten mit ökonomischen Anreizen verbinden. Das können Entschädigungen sein, aber auch Maßnahmen wie der Bau von Zäunen, kostenlose Impfungen für Nutztiere, mit denen der Verlust durch die Großkatzen ausgeglichen wird. Wesentlich ist die Identifikation mit Nationalparks und den Zielen des Artenschutzes, der Stolz darauf, zur Erhaltung einer bedrohten Tierart beizutragen.