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Reicher an Wasser

Von Alexandra Grass

Wissen

Die Erde ist von wesentlich mehr Flüssen und Strömen überzogen als bisher gedacht.


Chapel Hill/Wien. Man sollte meinen, dass die Erde heutzutage mit all ihren noch so kleinsten Details kartiert ist. In Zeiten, in denen uns Suchmaschinen mit Minutengenauigkeit von einem Ort zum anderen führen, ist es schier unvorstellbar, dass es anders ein könnte. Dennoch lässt eine neue globale Karte der Flüsse und Ströme, die unseren Planeten durchziehen, vermuten, dass die Erdoberfläche mit diesen Wasserträgern wesentlich dichter umspannt ist als bisher angenommen. In einer im Fachblatt "Science" publizierten Studie sprechen US-Forscher gar von einem Mehr von erstaunlichen 44 Prozent.

Mithilfe von Satellitendaten konnten die Forscher eine der detailliertesten Karten - die Global River Widths from Landsat Database - hervorbringen. Sie zeigt jene Areale mit Flüssen, die sich über eine Länge von mindestens 90 Kilometern erstrecken. Die Autoren stellten zudem Berechnungen für die mögliche Zahl kleinerer Flüsse auf, von denen es wesentlich weniger Daten gibt.

Neue Flüsse in der Arktis

Alles in allem bedecken Flüsse und Ströme ungefähr 773.000 Quadratkilometer der gletscherfreien Erdoberfläche. Das seien zehntausende Quadratkilometer mehr als angenommen. In der Arktis, wo die Auswirkungen des Klimawandels besonders hervorstechen, wurden den Wissenschaftern zufolge besonders viele Wasserregionen neu entdeckt. Weniger waren es wiederum in Europa, den USA und einigen anderen ökonomisch hoch entwickelten Regionen.

Die turbulenten Oberflächen der Flüsse sind natürliche Hotspots für wichtige biogeochemische Wechselwirkungen mit der Atmosphäre, schreibt das Team um den Geowissenschafter George H. Allen von der University of North Carolina in Chapel Hill. Denn Wasser interagiert mit der Atmosphäre in vielen komplexen Prozessen. So entlasten Flüsse zum Beispiel die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe oder die Zementproduktion entstehende CO2-Menge um etwa ein Fünftel.

Flussregulationen

Diese Korrektur der bisherigen Karten deutet darauf hin, dass auch die Interaktionen zwischen den Flüssen und der Atmosphäre wesentlich größer sein dürfte als angenommen. Am ausgeprägtesten ist die Entwicklung demnach in der Arktis, wo die Auswirkungen des Klimawandels den Forschern auch die größte Sorge bereiten. Umgekehrt würden die neuen Erkenntnisse auch darauf hindeuten, dass die Atmosphäre bei der Regulation von thermalen Dynamiken, aber auch der chemischen Zusammensetzung des Wassers in den Flüssen und Strömen eine größere Rolle spielt, so die Forscher in der Publikation.

Allen und sein Wissenschafterteam haben auch eine Vermutung, wie es in industrialisierten Staaten zu einer solchen Reduktion der wasserführenden Regionen kommen konnte. Er vermutet dahinter die weitreichenden Einflüsse des Menschen zum Beispiel durch die Regulation von Flussläufen. Diese Hypothese bedürfe allerdings noch weiterer Forschungen, so der Geowissenschafter.