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Als die Sterne leuchten lernten

Von Eva Stanzl

Wissen
Das Bild zeigt eine Landschaft von "Bergen" und "Tälern", gesprenkelt mit glitzernden Sternen , die eigentlich der Rand der sternenerzeugenden Region NGC 3324 im Carina Nebel ist.
© reuters / Nasa / ESA / CSA / STScI, Webb ERO Production Team

Die Nasa veröffentlicht die ersten Farbbilder des James-Webb-Teleskops, die bis ins frühe Universum blicken.


Auf den ersten Blick zeigt das Foto ein Gewusel von Sternen ohne Mittelpunkt oder Priorität. Der Galaxienhaufen SMACS 0723 ist aber das vielleicht bedeutendste von fünf Motiven, die das James-Webb-Teleskop der US-Raumfahrtbehörde Nasa bisher zur Erde gefunkt hat. Die Daten drehen sich um eine zentrale Frage der Astrophysik: Wie alt ist das Licht der Sterne?

Das James-Webb-Teleskop wurde gebaut, um von einem bestimmten Punkt im All, genannt L2-Punkt, bis in die Anfänge des Universums zurückzublicken, und möglichst rauschfreie Bilder von genau dem Zeitpunkt zu liefern, an dem sich in der schwarzen Finsternis des jungen Kosmos die ersten Sterne entzündeten.

Zusammen mit US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris präsentierte die Nasa Montagnacht die "tiefste und schärfste bislang aufgenommene Infrarot-Sicht auf das Universum". Auf der ersten Aufnahme des vor rund einem halben Jahr gestarteten Weltraumteleskops James Webb (JWST) ist SMACS 0723 mit seinen Sternen und Galaxien zu sehen. Biden sprach von einem "historischen Tag", Harris von einem "aufregenden neuen Kapital in der Erforschung unseres Universums".

Die Anfänge des Kosmos

Das Bild zeige einen "kleinen Teil" des Alls, sagte Nasa-Chef Bill Nelson. Seine Erklärung an Biden: "Das Licht, das du auf einem dieser Flecken siehst, ist seit 13 Milliarden Jahren unterwegs." Die Fotos des James-Webb-Teleskops würden die Welt daran erinnern, "dass Amerika große Dinge tun kann", sagte der US-Präsident. Zugleich räumte er ein, dass schon allein die Vorstellung jener 1,5 Millionen Kilometer, die das Teleskop weiter ins All vordringen soll, "mein Gehirn sprengen".

Noch schwerer vorstellbar sind wohl die Anfänge unseres Kosmos. "Seit die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung existiert, leuchtet das Universum. Aber wann genau es damit begonnen hat, wissen wir erst, wenn wir die entsprechenden Objekte gefunden haben", sagt Christiane Helling, Direktorin des Grazer Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zur "Wiener Zeitung". Die Kosmische Hintergrundstrahlung ist eine Mikrowellenstrahlung aus der Zeit des Urknalls. Man geht davon aus, dass sich 380.000 Jahre nach dem Urknall die ersten Atome gebildet haben und so Photonen entweichen konnten.

JWST sucht nach leuchtarmen Galaxien, "die dem Ursprung des Alls viel näher sind als alles, was wir bisher kennen. Schwach leuchtende Galaxien sind am weitesten entfernt und damit am ältesten. Ihr Licht ist am längsten gereist, weil sie sich in einem expandierenden Universum von uns wegbewegen", erklärt Helling.

Die Aufnahme von SMACS 0723 zeigt Licht, das entsprechend der Relativitätstheorie durch das Gravitationsfeld im Galaxienhaufen umgeleitet wurde. Hinter ihm sind nicht symmetrische, sondern gebogene Ansammlungen von Objekten zu sehen. Jene im Hintergrund sind weiter entfernt und nur durch den gebogenen Lichtweg zugänglich, aber dadurch verzerrt. Laut den Nasa-Experten demonstriert das Foto das Potenzial des Teleskops und bestätigt die Hoffnung, dass sie bald das allererste Licht des Universums zu Gesicht bekommen könnten. "Wir werden aber erst wissen, wie weit wir überhaupt zurückblicken können, wenn die Daten ausgewertet wurden", sagt Helling.

Hoher Erwartungsdruck

Nicht ohne Grund ist der Erwartungsdruck auf die Nasa groß. Ursprünglich sollte der nach dem ehemaligen Nasa-Chef James Edwin Webb (1906 bis 1992) benannte Nachfolger für das Hubble-Teleskop eine Milliarde US-Dollar kosten. Doch Verzögerungen und technische Probleme verlängerten die Bauzeit um 14 Jahre und trieben die Kosten in eine Höhe von zehn Milliarden Dollar.

Am späten Dienstagnachmittag präsentierten die Nasa und ihr europäisches Pendant ESA noch vier weitere Bilder und eine Liste von Objekten am Himmel, die das neue Teleskop ins Visier als Nächstes nehmen soll. Auf dem Programm standen eine Gaswolke, in der neue Sterne geboren werden; ein Staubball, in dem ein Stern im Sterben liegt, und der Zusammenprall von fünf Galaxien.

Auch das detaillierte Spektrum eines 1.150 Lichtjahre von der Erde entfernten Gasplaneten namens WASP-96b steht im Fokus. Er ist so groß wie Saturn, aber heißer. "Teleskopische Beobachtungen vom Boden aus zeigten, dass seine Atmosphäre offenbar Natrium enthält", sagt Helling: "Jedoch verdecken Wolken oftmals die Sicht in die Atmosphären von Exoplaneten. JWST kann die Infrarot-Strahlung extrasolarer Planeten, Sternenentstehungsregionen und schwach leuchtender Galaxien vom All aus beobachten."

Ursprünglich hatte die Nasa geplant gehabt, alle Ergebnisse zugleich am Dienstag zu veröffentlichen. Biden kam ihr zuvor und konnte so als Förderer der Wissenschaften auftreten.