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Armdrücken mit Robotern

Von Eva Stanzl

Wissen

Informatiker wollen die mechanischen Kameraden alltagstauglich machen.


Wien. Armdrücken mit Leichtbauroboter 4+: Er gewinnt doch glatt die erste Runde. Der mechanische Muskelprotz reagiert unmittelbar auf die Schwächen seines menschlichen Gegners, aber auch auf dessen Stärken: In der zweiten Runde legt sich der Mensch ins Zeug - und siegt.

Noch muss die Roboter-Hand jedes Objekt kennen. Künftig soll sie Unbekanntes ergreifen können.
© TUW

Noch statten die Informatiker des Instituts für Computertechnik der Technischen Universität (TU) Wien den Roboterarm allerdings mit Informationen aus, wie stark der Gegner ist, und dass er bei einem durchschnittlich gebauten Menschen weniger Kraft aufwenden muss als bei einem Schwergewichtler. Ihr Forschungsziel sind jedoch Roboter, die solche Dinge selbst abmessen können. "Beim Menschen schätzen gewisse Bereiche des Gehirns ein, wie stark ein Gegner ist. Wenn wir einmal alle Gehirn-Funktionen mit unseren Algorithmen nachgebaut haben, wird auch ein Roboter wissen können, wen er vor sich hat und seine Kraft automatisch entsprechend adjustieren", sagt Dietmar Dietrich vom Institut für Computertechnik der Technischen Universität (TU) Wien.

Dietrich und sein Team wollen nichts geringeres als das zweite topische Modell Sigmund Freuds in Algorithmen simulieren. Das Strukturmodell der Psyche des Wiener Psychoanalytikers beinhaltet nicht nur Handlungen und Sinne, sondern auch das Unterbewusstsein, Triebe, Bedürfnisse, Affekte, die Fähigkeit zur Selbstkritik, Wertvorstellungen, Erinnerung oder Gefühle. Da Roboter nicht denken können, wollen die Forscher hochkomplexe Algorithmen entwickeln, die den Maschinen solche "Wahrnehmungen" ermöglichen. "Freilich", räumt Dietrich ein, "haben wir bisher höchstens 0,0001 Prozent davon erreicht. Aber ich glaube daran, selbst wenn es noch lange dauert, bis es so weit ist."

Ob ein Roboter, der dem Menschen gleicht, je Wirklichkeit wird, muss sich weisen. Berichte, wonach in Asien Roboter menschliche Altenpfleger ersetzen, lassen befürchten, dass es früher der Fall sein wird, als einem lieb sein könnte. "Asien investiert mehr in die diesbezügliche Forschung als Europa", erklärt Ðietrich. Das soll sich nun ändern.

In ihrem kommenden Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020" setzt die EU einen Schwerpunkt im Bereich der immer älter werdenden Gesellschaften, womit die Entwicklung von Roboter-Assistenten im Alltag, unter anderem auch in der Altenpflege, nur logisch ist. Im Rahmen des europäischen Forschungskonsortiums "Kollaborierendes Roboter System" ("Koros") arbeiten die TU-Forscher daher daran, Roboter alltagstauglich zu machen. Von dem Roboterarm, mit dem man ohne Verletzungen Armdrücken kann und der, aufgerüstet mit einer Kamera, auf einem Tisch liegende Objekte erkennt und vorsichtig in eine Kiste legt, bis hin zu Fußball-spielenden humanoiden Robotern, die sowohl die eigene Position als auch jene des Tormanns und des Balls richtig einschätzen können, reichen die Projekte. Die TU-Forscher konzentrieren ihre Arbeit auf die Themenkreise Sehen und Erkennen, sicheres und kognitives Verhalten und Roboter in menschlichen Lebensräumen.

Sehen als größte Aufgabe

"Bisher hatten die meisten Roboter Bewegungen in Zahl und Ablauf fix einprogrammiert. Nun sollen sie auch lernen, auf Unerwartetes angemessen zu reagieren", sagt Gerald Steinhardt, Dekan der Fakultät für Informatik, zur "Wiener Zeitung". Im Unterschied zu Industrierobotern, die nach Programm immer wider dieselben Handlungsabläufe wiederholen, und die sogar eine Gefahr darstellen, wenn sie unerwartet unterbrochen werden, müssen Alltagsroboter Meister des Umgangs mit Unvorhergesehenem sein.

Ein Hilfsroboter im Haushalt soll zwischen einer Medikamentendose und einem Wasserglas und zwischen kochendem und kaltem Wasser unterscheiden können. Die Hauskatze darf ihn genau so wenig erschüttern wie der Wohnzimmertisch, wenn er nicht am gewohnten Platz steht. Maschinelles Sehen - die automatische Interpretation von Kamerabildern - ist eines der wichtigsten Forschungsgebiete der Robotik. "Das ist alles andere als eine triviale Aufgabe", betont Steinhardt.

Die 50 Zentimeter großen humanoiden Fußballroboter, die an der TU Wien gebaut werden, erreichten auf ihren kleinen Beinen den jüngsten Roboter-FußballWeltmeisterschaften in Mexiko Platz neun und halten Platz eins im Dribbeln. Dietmar Schreiner von der Arbeitsgruppe für das Fußballteam berichtet, dass dieses nun auch mit einem Immunsystem ausgestattet sei - ein eingebautes Diagnosesystem, das etwa einen Kameraausfall bemerkt und sofort reagiert. Die Kicker sind also, obwohl sie nicht Visionen von allmächtigen Robotern entsprechen, ziemlich vif.