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Kritik an Verurteilung von Sigrid Maurer

Von Daniel Bischof

Ex-Grünen Politikerin wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Sie zeigt sich "erschüttert" und will Rechtsmittel erheben.


Wien. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. "Eine rechtspolitische Sauerei" sei das Urteil, sagte Medienanwalt Michael Pilz. Die Entscheidung zeige, dass der Rechtsstaat Frauen im Stich lasse, verkündete eine Sprecherin des Frauenvolksbegehrens. Zu einer "Täter-Opfer-Umkehr" sei es hier gekommen, so die Liste Pilz.

Der Grund für die Empörung ist ein Urteil, das am Dienstag am Wiener Straflandesgericht ergangen ist: Wegen übler Nachrede wurde die Ex-Grünen-Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer verurteilt. Vom Vorwurf der Kreditschädigung wurde sie freigesprochen. Maurer muss 3000 Euro Geldstrafe an den Staat zahlen und den Privatkläger mit 4000 Euro entschädigen.

Maurer hatte obszöne Nachrichten, die ihr auf Facebook geschickt worden waren, im Internet verbreitet. In den Texten wird sie zu sexuellen Handlungen aufgefordert und etwa als "kleine dreckige Bitch" beschimpft. Der Verfasser sei der Inhaber eines Biergeschäfts gewesen, schrieb Maurer. Dieser bestreitet das. Er erhob eine Privatanklage wegen übler Nachrede und Kreditschädigung gegen Maurer.

"Er muss es gewesen sein"

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Maurer kündigte volle Berufung an. Sie zeigte sich nach der Urteilsverkündung gegenüber Medien "sehr erschüttert". Sie habe nicht mit einem Schuldspruch gerechnet. "Es ist völlig eindeutig, dass er es gewesen sein muss."

Versendet wurden die Nachrichten von der Facebook-Seite des Biergeschäfts. Maurer wohnt in der Nähe des Lokals und geht dort regelmäßig vorbei. Sie veröffentlichte die obszönen Texte am 30. Mai samt Namen und Geschäftsadresse des Mannes: "Gestern hat er mich da blöd angeredet und mir diese Nachrichten geschickt", schrieb Maurer.

Er habe das nicht verfasst, sagte der Lokalbesitzer, über den sich Zuge des Vorfalls ein Shitstorm ergoss. Wer der Verfasser ist, "weiß ich leider nicht". Einer seiner Kunden könnte es gewesen sein, meinte er. In seinem Lokal stehe ein Desktop-PC, den jeder benutzen könne und auf dem er in Facebook eingeloggt sei. Zum Zeitpunkt, als Maurer die erste Nachricht geschrieben wurde, habe er gerade mit seiner Lebensgefährtin telefoniert. Er legte dazu einen Gesprächsnachweis vor.

Maurer habe er nicht gekannt, eine Nähe zu einer politischen Partei habe er nicht. Auf Facebook hat der Mann aber unzählige FPÖ-Politiker "geliked", von Heinz-Christian Strache bis zu Johann Gudenus. Auch gab er der FPÖ-nahen Seite "unzensuriert.at" ein Exklusivinterview. Auf ein Schild vor seinem Lokal schrieb er: "Bübchens Lügen. Exklusiv auf unzensuriert.at". Er spiele nicht auf Maurers kurze Haare an, das Schild habe nichts mit der Sache zu tun. Das habe er nur geschrieben, um Leute in sein Lokal zu locken, so der Mann.

Thematisiert wurde auch die fehlerhafte Interpunktion in den Nachrichten. Nachdem Maurer an die Öffentlichkeit gegangen war, wurden auf der Facebook-Seite des Bierlokals die Vorwürfe dementiert. In dem Dementi-Posting und in den Nachrichten finden sich ähnliche Merkmale, so werden etwa vor Beistrichen Leerzeichen gemacht und Ausrufezeichen inflationär gebraucht.

Ausführliche Begründung

Diese Auffälligkeit zeige, dass der Mann den Text sehr wohl geschrieben habe, so Maurer. Am Dienstag wurde bekannt, dass nicht nur der Inhaber, sondern auch ein anderer Mann die Facebook-Seite des Lokals betreut. Dieser befüllt als Administrator zudem die Homepage des Lokals, in den Texten dort tauchen ebenfalls Interpunktionsfehler auf. Richter Stefan Apostol fiel das auf und fragte den Mann, ob nicht er die obszönen Nachrichten geschrieben habe. Der Mann bestritt das.

Apostol ging in seiner ausführlichen Urteilsbegründung auf die Gründe für die Verurteilung ein. Bei der üblen Nachrede (§ 111 StGB) stellt sich die Rechtslage folgendermaßen dar: Schuldig macht sich, wer jemanden einen Charaktermangel oder eines unehrenhaften oder sittenwidrigen Verhaltens beschuldigt.

Diese Beschuldigung muss für Dritte wahrnehmbar sein und den Beschuldigten in der öffentlichen Meinung herabsetzen. Diese Voraussetzungen seien eben gegeben, wenn man jemanden beschuldigt, solche Nachrichten geschrieben zu haben, so Apostol.

Der Täter bleibt aber dann straffrei, wenn er den Wahrheitsbeweis erbringt. Maurer muss also beweisen, dass ihre Beschuldigungen wahr sind. Und diesen Beweis habe Maurer nicht erbringen können, so Apostol: "Sie waren sich sicher, er war es." Doch das sei eben nicht sicher. "Dass die Nachrichten an Sie nicht strafbar sind, steht auf einem anderen Blatt."

Die Interpunktion deute daraufhin hin, dass der Betreuer der Webseite und des Facebook-Profils den Text verfasst habe. Es könne aber auch ein Gast gewesen sein, während der Kläger telefoniert habe. Unglaubhaft sei, dass der Wirt nicht wisse, wer für die Nachrichten verantwortlich sei. "Wir können hier aber nicht klären, wer es war", so Apostol.

Vom Vorwurf der Kreditschädigung (§ 152 StGB) sprach Apostol Maurer frei. Der Tatbestand verlangt, dass vorsätzlich unrichtige Tatsachen über eine Person verbreitet werden. Diesen Vorsatz habe Maurer nicht gehabt. "Ich glaube Ihnen, dass sie überzeugt waren, dass es der Privatankläger war."

Da sie ihre Nachricht auf Twitter verbreitet hat, ist Maurer auch eine Medieninhaberin im Sinne des Mediengesetzes. Daraus folgt: Hätte sie den Unternehmer vor der Veröffentlichung angerufen und um eine Stellungnahme gebeten, hätte sie sich darauf berufen können, journalistisch sorgfältig gehandelt zu haben (§ 29 MedienG). In diesem Fall wäre sie wohl nicht wegen übler Nachrede verurteilt worden.

Strafe "im unteren Viertel"

Bestraft werden konnte Maurer mit einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen oder mit bis zu einem Jahr Haft. Mit 150 Tagessätzen zu je 20 Euro, also 3000 Euro, sei die Strafe im unteren Viertel angesiedelt, sagt Apostol. Maurer habe kein reumütiges Geständnis abgelegt, aber die Tat aus einem "achtenswerten Beweggrund" begangen. Auch ein Tatsachengeständnis, das einen Beitrag zur Wahrheitsfindung leiste, habe sie abgelegt. Zudem ist Maurer gerichtlich unbescholten.

Dem Unternehmer sprach Apostol 4000 Euro für die "erlittene Unbill" (§ 6 MedienG) zu. Mit seinen Schadenersatzansprüchen verwies er ihn auf den Zivilrechtswegweg. Insgesamt hatte der Mann 60.000 Euro von Maurer gefordert. Der Lokalbesitzer erklärte, weitere rechtliche Schritte prüfen zu wollen. Maurer drohen weitere hohe Zahlungen, sollte das Urteil rechtskräftig werden: Dann muss sie nicht nur ihre Anwältin, sondern auch die zwei Anwälte des Mannes bezahlen.