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Arbeitszeit transparent erfassen

Von Michael Friedrich und Gabriele Kaier

Recht
© fotohansel - stock.adobe.com

Warum man den Betriebsrat bei der Einführung einer Zeiterfassung einbinden sollte.


Viele Unternehmen stehen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 14.05.2019, C-55/18, Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO)/ Deutsche Bank) vor der Herausforderung, ein für ihr Unternehmen geeignetes System zur Arbeitszeiterfassung anzuschaffen. Wie bei der Einführung anderer Softwarelösungen und -systeme, sollte auch bei Implementierung einer Zeiterfassung zielgerichtet vorgegangen werden. Dabei gehören nicht nur Ziele und Rahmenbedingungen festgelegt, sondern auch die verschiedenen Anwendergruppen in den Mittelpunkt gestellt, welche die Zeiterfassung in der Praxis nutzen werden. Dem Betriebsrat, der die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb vertritt, sollte dabei besondere Aufmerksamkeit zukommen.

Welche Rechte hat der Betriebsrat bei Einführung einer Arbeitszeiterfassung?

Bei "einfachen" Zeiterfassungssystemen, wie einer Stechuhr, kann der Arbeitgeber diese grundsätzlich auch einseitig einführen. Es besteht für den Betriebsrat ebenso wie für den Betriebsinhaber die Möglichkeit, gem. § 97 Abs. 1 1 i.V.m. Abs. 2 ArbVG hierüber eine Betriebsvereinbarung vor einer bei den Arbeitsgerichten einzurichtenden Schlichtungsstelle zu erzwingen.

Handelt es sich beim Arbeitszeiterfassungssystem hingegen um eine Kontrollmaßnahme und ein technisches Kontrollsystem, welches die Menschenwürde berührt, benötigt der Betriebsinhaber in Österreich die Zustimmung des Betriebsrats (vgl. § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG). Existiert kein Betriebsrat, so bedarf es der Zustimmung jedes betroffenen Arbeitnehmers.

Führt er das die Menschenwürde berührende Zeiterfassungssystem ohne Zustimmung des Betriebsrats respektive der betroffenen Arbeitnehmer ein, so hat jeder betroffene Arbeitnehmer sowie der Betriebsrat einen klagbaren Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Zeiterfassungssystem wieder abschafft. Dem Arbeitgeber steht dabei nicht die Möglichkeit durch die Schlichtungsstelle zu, die Verweigerung der Zustimmung überprüfen zu lassen. Dem Betriebsrat steht in diesen Fällen quasi ein Vetorecht zu.

Wann berührt eine Zeiterfassung die Menschenwürde?

Bei der Formulierung "die Menschenwürde berühren" drückt sich der Gesetzgeber unbestimmt aus. Einerseits ist die Kontrolle des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber Wesensmerkmal des Arbeitsverhältnisses. Andererseits ist es auch selbstverständlich, dass ein Arbeitgeber auch mit Zustimmung des Betriebsrats keine Kontrollmaßnahme setzen darf, die die Menschenwürde des Arbeitnehmers verletzt.

Der Sache nach soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber ein (technisches) Arbeitszeitkontrollsystem einführt, das ihm im Vergleich zu seinem berechtigten Kontrollinteresse überschießende Kontrollmöglichkeiten einräumt.

Für welche Systeme zur Zeiterfassung benötigen Betriebe notwendigerweise die Zustimmung des Betriebsrates?

Wie bereits erwähnt, fallen klassische Zeiterfassungssysteme wie Stechuhren oder die Verwendung von Magnetkarten zur Eingangskontrolle und Zeiterfassung nicht unter die notwendige Mitbestimmung. Hingegen wurde von der Rechtsprechung beispielsweise ein System der Arbeitszeiterfassung mittels biometrischer Daten als überschießend und daher die Menschenwürde berührend gewertet. Denn die biometrische Vermessung der Arbeitnehmer und der tägliche Abgleich mit diesen durch Fingerscanning gewonnen Daten steht in keinem angemessenen Verhältnis zum trivialen Ziel der Feststellung von Kommen- und Gehen-Zeiten.

Wird mit dem elektronischen Zeiterfassungssystem nicht nur die Arbeitszeit aufgezeichnet, sondern ermöglicht das System auch die technische Erfassung weiterer Personaldaten, darf der Arbeitgeber das System gem. § 96 a ArbVG nicht ohne Betriebsvereinbarung einführen. Das wäre etwa der Fall, wenn das System zur Zeiterfassung zugleich auch die Entgeltabrechnung beziehungsweise -zahlung vornimmt oder Zeiten gespeichert werden, in denen der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung erhalten hat. In beiden Fällen würde ein sogenanntes automationsunterstütztes Personaldatensystem vorliegen.

Sollte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern, steht dem Arbeitgeber jedoch die Möglichkeit zu, von der Schlichtungsstelle überprüfen zu lassen, ob eine etwaige Verweigerung der Zustimmung sachlich gerechtfertigt war. Ist dies nicht der Fall, kann die Schlichtungsstelle die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen.

Warum sollte man den Betriebsrat, unabhängig von der Rechtslage, involvieren?

Der Betriebsrat hat bei der Einführung von Zeiterfassungssystemen immer ein Mitwirkungsrecht. Auch wenn man bei der rechtlichen Prüfung zum Schluss kommen sollte, dass dieser bei dem gewählten Zeiterfassungssystem kein Vetorecht hat, sollte man den Betriebsrat unbedingt bereits vor Anschaffung der neuen Zeiterfassung in den Prozess miteinbeziehen.

Denn für die erfolgreiche Einführung einer Zeiterfassung ist es wichtig, dass die Anliegen der Belegschaftsvertretung frühzeitig geklärt und berücksichtigt werden. So können mögliche Konflikte, Sorgen und Ängste seitens Arbeitnehmervertretung beziehungsweise Mitarbeiter gemeinsam erarbeitet und im Bedarfsfall rechtzeitig geklärt werden. Diese Auseinandersetzung stellt eine entscheidende Basis für die zukünftige Akzeptanz und die optimale Nutzung der Zeiterfassung seitens der zukünftigen Nutzer, der Mitarbeiter, dar.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Betriebsräte der Einführung eines Zeiterfassungssystems positiv gegenüberstehen. Die meisten Betriebsräte schätzen bei einer modernen Zeiterfassung die Vereinfachung der Dokumentation sowie die Transparenz der geleisteten Arbeitszeiten und sehen auch Vorteile für die Arbeitnehmer, da beispielsweise Überstunden genauer abgerechnet werden können oder die aufgezeichneten Arbeitszeiten für den Arbeitnehmer jederzeit einsehbar sind.

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