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Rechte der Wohnungseigentümer ändern sich nur punktuell

Von Andreas Schwaighofer und Sophie Gratl

Recht
Die Neuerungen des Wohnungseigentumsgesetzes sollen vor allem dazu dienen, Änderungen zu erleichtern, die Verbesserungen hinsichtlich Klima- und Umweltschutzaspekten bedeuten.
© adobe.stock / Roman Babakin

Die geforderte umfassende Reform lässt trotz geplanter Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes auf sich warten.


Die geplante Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), das am 1. Jänner 2022 in Kraft treten soll, bringt Neuerungen im Änderungsrecht der Wohnungseigentümer, bei der Auskunftspflicht des Verwalters, Erleichterungen in der Willensbildung und eine Mindestdotierung der Rücklage. Diese Neuerungen sollen vor allem dazu dienen, Änderungen zu erleichtern, die Verbesserungen hinsichtlich Klima- und Umweltschutzaspekten bedeuten. Allerdings handelt es sich lediglich um punktuelle Änderungen des Wohnungseigentumsrechtes und nicht um die bereits länger geforderte umfassende Reform. Im Folgenden soll auf die interessantesten Punkte näher eingegangen werden.

Zustimmungsfiktion bei spezifisch privilegierungswürdigen Maßnahmen: Im Änderungsrecht des WEG 2002 ist die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer notwendig, wenn eine Änderung am Wohnungseigentum bewirkt wird, die die schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer beeinträchtigen könnte. In der Praxis warf diese Regelung des Öfteren Probleme auf, da viele Wohnungseigentümer gar keine Erklärung abgaben. In Hinblick auf desinteressierte oder indifferente Wohnungseigentümer ist diese neue Regelung daher durchaus zu begrüßen: In §16 Abs. 5 WEG in der Fassung der Novelle 2022 wird nun eine Zustimmungsfiktion vorgesehen. Der Änderungswillige bedarf keiner aktiven Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer, sondern es ist bereits ausreichend, wenn nach qualifizierter Verständigung kein Widerspruch erhoben wird.

Qualifizierte Verständigung bedeutet, dass die anderen Wohnungseigentümer über die beabsichtigte Veränderung schriftlich informiert werden müssen und diese binnen zwei Monaten, theoretisch auch mündlich, widersprechen können. In dieser Verständigung müssen die geplante Änderung sowie die Folgen des Schweigens deutlich dargestellt werden.

Klimapolitische Elemente

Es ist allerdings auch vorgesehen, dass eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung von den anderen Wohnungseigentümern nicht geduldet werden muss. Dies wird in der Praxis sicher zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Eine Zustimmungsfiktion, bei der Schweigen als Zustimmung gilt, kann doch einen weitgehenden Eingriff bedeuten und stellt auch einen Systembruch dar. Deshalb gilt diese Zustimmungsfiktion nicht bei jeglicher Änderung, sondern nur bei bestimmten privilegierungswürdigen Maßnahmen. Zu diesen gehören unter anderem die Errichtung einer Ladestation zum Langsamladen von Elektrofahrzeugen, die Anbringung einer Photovoltaikanlage und das Montieren von Beschattungsvorrichtungen, welche sich aber harmonisch in das Erscheinungsbild des Gebäudes einfügen müssen.

Hier sind die klimapolitischen Elemente zu erkennen, denen der Gesetzgeber dem Regierungsprogramm folgend in den Bereichen Gebäude und Verkehr Rechnung tragen will. Darüber hinaus sind auch die behindertengerechte Ausgestaltung des Wohnungseigentumsobjekts und der Einbau einbruchsicherer Türen privilegiert.

Im neuen §16 Abs. 8 WEG in der Fassung der Novelle 2022 ist als Kehrseite gegenüber der bestehenden Rechtslage jedoch eine Pflicht zur Unterlassung der Nutzung einer Einzelladestation zugunsten des Betriebs einer Gemeinschaftsanlage statuiert. Diese Unterlassungspflicht tritt zwar erst fünf Jahre nach der Errichtung der Einzelanlage ein, allerdings sichert das meiner Meinung nach trotzdem nicht ausreichend die Nutzungsperspektive der Errichtung einer teuren Einzelladestation. Insofern sollte eine solche noch vor dem geplanten Inkrafttreten der Novelle am 1. Jänner 2022 errichtet werden, denn in diesem Fall gilt diese Unterlassungsverpflichtung nicht.

Für das wirksame Zustandekommen eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bedarf es nach derzeitiger Rechtslage der Mehrheit der Miteigentumsanteile nach §24 Abs. 4 WEG 2002, also einer absoluten Mehrheit aller Anteile. Auch hier erwies sich das bereits erwähnte mangelnde Interesse mancher Wohnungseigentümer als faktisches Problem im Willensbildungsprozess. Angesprochen sind hier vor allem Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung, für die es - anders als bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, bei denen der Verwalter eigenständig tätig werden kann und muss - zwingend einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft braucht.

Neue Form der Willensbildung

Das WEG in der Fassung der beabsichtigten Novelle stellt nun auf eine qualifizierte Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen ab, wobei diese zwei Drittel mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile darstellen müssen. Dieses zweifache Zustimmungserfordernis wird vorgesehen, um die Dominanz einer kleinen aktiven Minderheit zu verhindern. Diese neue Form der Willensbildung mit qualifizierter Mehrheit tritt zudem lediglich als zweite Möglichkeit neben die gewöhnliche Mehrheit aller Miteigentumsanteile. Die entscheidende Änderung dabei ist, dass eine Stimmenthaltung nicht mehr notwendigerweise eine Gegenstimme darstellt.

Die beabsichtigte Novelle ist aufgrund der dadurch adressierten Bedürfnisse der Praxis durchaus zu befürworten, allerdings bleibt zu hoffen, dass dadurch eine weitergehende Reform des Wohnungseigentumsrechtes nicht langfristig aufgeschoben wird.

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