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Gegen uferlose Amtshaftung

Von Peter Knobl und Peter Vcelouch

Recht
Der Fall Commerzialbank Mattersburg hat auch verfassungs- und amtshaftungsrechtlich Geschichte geschrieben.
© aurena.at

Haftungsbeschränkung für Bankenaufsicht laut Höchstgericht verfassungskonform: Einleger oder Gläubiger können keine Ansprüche wegen Fehlern der Bankenaufsicht geltend machen.


Seit dem Spruch des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 16. Dezember 2021 steht die Verfassungskonformität der Haftungsbeschränkung im Bereich der Bankenaufsicht fest. Damit hat der Fall Commerzialbank Mattersburg auch verfassungs- und amtshaftungsrechtlich Geschichte geschrieben. Der VfGH entschied, dass die im österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FMABG) enthaltene Beschränkung der Haftung für die Wahrnehmung von Aufgaben der Bankenaufsicht auf "den aufsichtsunterworfenen Rechtsträgern unmittelbar zugefügte Schäden" verfassungskonform ist. Der Bankenaufsicht unterworfene Rechtsträger sind Kreditinstitute, CRR-Kreditinstitute, CRR-Finanzinstitute, Repräsentanzen von Kreditinstituten und (gemischte) Finanzholdinggesellschaften.

Das VfGH-Erkenntnis stellt nun klar, dass nur noch der unmittelbar Beaufsichtigte, etwa das Kreditinstitut, nicht aber Einleger oder Gläubiger Amtshaftungsansprüche wegen Fehlern der Bankenaufsicht geltend machen können.

Jahrzehntelange Debatte

Das Höchstgericht beendete damit eine jahrzehntelange Debatte im Schrifttum, die durch einige ältere (überholte) Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH) befeuert worden war, und lieferte eine überzeugende, konsistente und nachvollziehbare Begründung, warum diese Haftungsbeschränkung grund- und auch sonst verfassungsrechtlich unbedenklich ist.

Das Verfahren vor dem VfGH nahm seinen Ausgangspunkt in diversen Amtshaftungsverfahren, die infolge der Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg (CBM) eingeleitet worden waren. Die Amtshaftungskläger hatten ihre Berufungen gegen die abweisenden erstinstanzlichen Urteile jeweils mit einem Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH (Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit d B-VG) verbunden. Sie relevierten Verstöße gegen den Kompetenztatbestand für Amtshaftungsangelegenheiten (Art. 23 Abs. 4 B-VG), Verletzungen des grundrechtlichen Gleichheitssatzes sowie der grundrechtlichen Eigentumsgarantie.

Das Höchstgericht verwarf die Bedenken gegen den Kompetenztatbestand mit der Begründung, dass der einfache Gesetzgeber 2008 zwar eine Haftungsbeschränkung im Bereich der Bankenaufsicht angeordnet, diese aber mit einer intelligenten Vorschrift (VfGH: "bemerkenswerte Bestimmung") zur näheren Definition des Schadensbegriffes sowie über den Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der Normen) erzielt hat.

Klagebefugnis beschränkt

Wenn der Schadenersatz im Bereich der Bankenaufsicht für fehlerhafte oder unterlassene Aufsichtshandlungen nur den unmittelbar geschädigten Rechtsträgern, die der Aufsicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) unterliegen, zustehen soll, handle es sich um nichts anderes als eine legitime Haftungseinschränkung im Wege einer authentischen Auslegung, somit um die gesetzgeberische Definition des ersatzfähigen Schadens der klagebefugten Rechtsträger. Diese entspreche den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Prinzipien zur Vermeidung einer uferlosen Haftung im Falle deliktisch zugefügter Vermögensschäden.

Diese Prinzipien seien im geltenden Bankaufsichtsrecht durch die Beschränkung auf den kollektiven (institutionellen) Gläubigerschutz ohnehin bereits positivrechtlich angelegt. Immerhin hätte der Bund nach allgemeinem Amtshaftungsrecht für jeden Grad des Verschuldens der Organe der Bankenaufsicht einzustehen. Wenn "jedermann" berechtigt wäre, Schadenersatz vom Bund zu fordern, käme dies einer uferlosen Amtshaftung nahe, die nicht einmal im privatrechtlichen Kernbereich des Schadenersatzrechts zu finden sei. Die im FMABG enthaltene Haftungsbeschränkung sei daher kein Haftungsausschluss, sondern nur eine Beschränkung der Klagebefugnis (Aktivlegitimation) auf die beaufsichtigten Rechtsträger.

Dies sei auch im Hinblick auf vorgebrachte gleichheitsrechtliche Bedenken sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig, weil der Gesetzgeber ohnehin ein System der Einlagensicherung eingerichtet habe, wonach (Klein-)Anleger bis zu einer Summe von 100.000 Euro (und in manchen Fällen bis zu 500.000 Euro) abgesichert sind.

Zur geltend gemachten Verletzung des Eigentumsgrundrechts führte der VfGH aus, dass es zweifelhaft sei, ob überhaupt eine geschützte Rechtsposition im Sinne dieses Grundrechts vorliege; selbst wenn eine solche angenommen würde, wäre der Eingriff gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Zudem enthält das Erkenntnis des VfGH eine für Ansprüche des beaufsichtigten Kreditinstitutes - in concreto des Insolvenzverwalters der CBM - relevante Nebenbemerkung, juristisch auch obiter dictum genannt: Allfällige derartige Amtshaftungsansprüche könnten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens daran scheitern, dass eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensherbeiführung durch den Aufsichtsunterworfenen selbst regelmäßig so schwer wiegen wird, dass zum beispiel fahrlässiges Aufsichtsversagen im Rahmen einer Abwägung der Verschuldensgrade nicht ins Gewicht fällt.

Seit der Aufsichtsreform 2008 besteht eine Aufgabenteilung zwischen OeNB und FMA, nach der als Behörde ("decision taking") ausschließlich die FMA tätig wird und die OeNB als deren Hilfsorgan ("fact finding") fungiert. Dazu sprach der VfGH aus, dass die Handlungen der OeNB im Bereich der Bankenaufsicht grundsätzlich immer ¨- auch bei makroökonomisch begründeten Vor-Ort-Prüfungen durch die OeNB - der FMA zugeschrieben werden, weshalb die Tätigkeit der OeNB amtshaftungsrechtlich jedenfalls der FMA zuzuordnen ist.

Gesetz fußte auf Finanzkrise

Zutreffend verwies der VfGH auch auf einschlägige Regelungen anderer EU-Mitgliedstaaten sowie darauf, dass die Finanzkrise des Jahres 2008 ein maßgeblicher Grund für die gesetzgeberische Einfügung der Haftungsbeschränkung in das FMABG war. Nach Ansicht des VfGH bildet die Haftungsbeschränkung auch eine - angemessene - Reaktion des Gesetzgebers auf zu weit gegangene (frühere) Rechtsprechung des OGH zur Amtshaftung gegenüber Einlegern und Gläubigern von Kreditinstituten.

Schließlich berücksichtigte der VfGH im Ergebnis auch die schon aus 2008 stammende Anregung des Internationalen Währungsfonds, Anreize für eine exzessive Amtshaftung im Bereich der Bankenaufsicht zu beseitigen.

Das VfGH-Erkenntnis wird mit hoher Wahrscheinlichkeit amtshaftungsrechtliche Begehrlichkeiten, die auf fehlerhafte Akte oder Unterlassungen der Bankenaufsicht gestützt sind, in engere Schranken weisen, als dies bisher - etwa aus Anlass der Insolvenz der CBM - der Fall war. Das ist auch mit den unionsrechtlichen Wertungen, die mittlerweile dem österreichischen Bankwesen-, Einlagensicherungs- und Abwicklungsrecht zugrunde liegen, vereinbar: Der Steuerzahler soll, wie es auch der VfGH festhält, nicht im Wege der Amtshaftung für die wirtschaftlichen Folgen einer Bankeninsolvenz aufkommen.•

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