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Schule als Raum für queere Stimmen

Von Bernhard Müllner

Recht

Es geht darum, geschlechtliche und sexuelle Diversität an Schulen sichtbar zu machen. Eine Replik.


Die LGBTQI+-Community fördere die Manipulation von Kindern in der Schule, schreibt Erwin Bader in seinem Gastkommentar vom 23. August diesen Jahres. Dadurch werden, so Bader weiter, unmündige Kinder in ihrer natürlichen Entwicklung schwerwiegend beeinträchtigt und zu Denkweisen verführt, deren Folgen "möglicherweise" fatal seien. Das sei problematisch.

Das von Bader erdachte Problem ist allerdings, soviel ist sicher, nicht bei der LGBTQI+-Community zu suchen, sondern vielmehr bei Ewiggestrigen, die durch "Othering", also durch die Abwertung einer bestimmten Gruppe, die eigene Gruppenidentität konstruieren, stärken und diese als Norm bestätigen. Da kann es auch schon einmal passieren, dass auf Wörter und Phrasen zurückgegriffen wird, die die Ziele von Bildungsinstitutionen, nämlich das Sichtbarmachen und Anerkennen von Vielfalt, in ein schlechtes Licht rücken sollen.

Die Verwendung des Wortes Manipulation, also die Beeinflussung von Menschen ohne deren Wissen, mit dem Ziel ihn für eigene Zwecke zu benutzen, ist im Rahmen der Beschäftigung mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt im Kontext Schule genauso zu verurteilen wie die Behauptung, Kinder in ihrer "natürlichen Entwicklung" zu beeinträchtigen. Es geht um die Repräsentanz unterschiedlicher Lebensrealitäten. Dazu zählen neben heterosexueller nun einmal auch queere Familienformen, neben den binären Geschlechtsidentitäten "Männlich" und "Weiblich" auch diversgeschlechtliche Menschen.

Alle Lebensformen thematisieren

Verschiedenen Lebensrealitäten einen Raum zu geben, heißt alle Lebensformen zu thematisieren und niemandem seine Identität, sollte diese nun heterosexuell oder queer sein, abzusprechen. Es geht darum, Vielfalt sichtbar zu machen. In Texten, in Abbildungen und in Videos. Dadurch gelingt es, queeren Kindern oder Kindern, die aus einem queeren Elternhaus kommen, eine Stimme zu geben.

Nicht also die Behandlung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt im schulischen Kontext ist fatal, vielmehr ist es das Totschweigen dieser Themen. Auch von Manipulation und einer Beeinträchtigung der "natürlichen Entwicklung" (was auch immer eine natürliche Entwicklung sein soll) kann keine Rede sein. Es geht darum, aus Kindern mündige Bürger*innen zu machen, die in persönlichen und gesellschaftlich wichtigen Entscheidungssituationen kritik- und handlungsfähig sind.

Haltlose Sorgen um Kinder machen sich vor allem jene Menschen, deren Problem genau das ist, was sie der LGBTQI+-Community vorwerfen: Zu manipulieren und zu verführen, die Situation so zu drehen, das sie zu ihren Gunsten ausfällt. Da ist es eine Wohltat, dass in Zeiten von Streamingdiensten wie Netflix und Serien wie Heartstopper oder Sex Education eine Generation von jungen Menschen heranwächst, die in ihrer Alltagswelt mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt konfrontiert wird, die auf Rolemodels zurückgreifen können, die ihnen dabei helfen, die Welt in ihrer Vielfältigkeit kennenzulernen. Die Schule hat die Aufgabe, die von den Schüler*innen gesammelten Erfahrungen in einen fachlichen Kontext einzubetten und ihnen Raum und Zeit für Diskussionen zu geben.