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Selbst Ölkartell laut Höchstgericht klagbar

Von Petra Tempfer

Recht

Gekündigter hatte gegen Opec geklagt - diese konnte aber nicht geklagt werden. Das ist verfassungswidrig.


Ein gekündigter Opec-Mitarbeiter aus Österreich hatte vor dem Arbeitsgericht geklagt: Dieses war aber nicht zuständig und auch kein anderes Gericht, denn die Opec genießt als internationale Organisation Immunität in jenem Staat, in dem sie ihren Sitz hat - in Österreich. Das bedeutet, dass sie vor einem Gericht des Sitzstaates nicht geklagt werden kann. Jeder hat jedoch das Recht auf ein faires Verfahren, steht im Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschrieben. Der Gekündigte focht daher bereits 2019 vor Österreichs Verfassungsgerichtshof den bilateralen Staatsvertrag an (die "Wiener Zeitung" berichtete) - und bekam nun recht. Die Ausnahme der Opec von der österreichischen Arbeitsgerichtsbarkeit sei verfassungswidrig, so der VfGH am Donnerstag. Die entsprechende Entscheidung habe man den Parteien zugestellt.

Der VfGH habe den Staatsvertrag mit der Opec, also der Organisation erdölexportierender Länder, geprüft und teils für verfassungswidrig befunden, hieß es. Es sei das erste Mal, dass das Höchstgericht in dieser Form hinsichtlich eines Staatsvertrags entschieden habe. In diesem Fall verstoßen laut VfGH zwei Bestimmungen im Amtssitzabkommen zwischen Österreich und der Opec gegen das Grundrecht auf Zugang zu einem Gericht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK. Das Höchstgericht sah es zunächst grundsätzlich als legitimes Ziel an, einer internationalen Organisation im Amtssitzabkommen Immunität einzuräumen, um deren ordnungsgemäßes Funktionieren frei von einseitigen Eingriffen durch den Sitzstaat (hier: Österreich) zu ermöglichen. Ob es legitim ist, eine internationale Organisation für arbeitsrechtliche Streitigkeiten von der staatlichen Gerichtsbarkeit auszunehmen, hänge aber wesentlich davon ab, ob angemessener alternativer Rechtsschutz besteht -und dieser besteht offenbar nicht.

Opec plant Rechtsschutzgarantien

Die Opec habe zwar bereits in Aussicht gestellt, Rechtsschutzgarantien für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu schaffen, das scheint jedoch gar nicht so leicht umsetzbar zu sein. Denn: Solange das Amtssitzabkommen nicht gewährleisten könne, dass ein solcher Mechanismus eingerichtet ist, könne nicht angenommen werden, "dass die Republik Österreich durch Art. 9 des Amtssitzabkommens den Zugang zu einem Gericht in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auf verhältnismäßige Weise beschränkt", so der VfGH. "Diese Bestimmung sowie der damit zusammenhängende Art. 5 Abs. 1 und 2 wurden daher als verfassungswidrig festgestellt." Art. 5 besagt unter anderem, dass "gerichtliche Vollzugshandlungen" im Amtssitzbereich "nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Generalsekretärs und unter den von ihm festgelegten Bedingungen stattfinden" dürfen.

Konkret geht es beim Amtssitzabkommen um einen völkerrechtlichen Vertrag, den die Republik Österreich 1965, als sich die Opec hier angesiedelt hat, mit dieser schloss. Das Amtssitzabkommen erkennt die Immunität der Opec an und legt fest, dass diese von jeglicher Rechtsprechung befreit ist. Es sei denn, die Opec selbst verzichtet ausdrücklich auf die Immunität.

Diese ganz spezielle Sachlage ist noch brisanter als etwa bei einem Botschaftsmitarbeiter. Dieser kann den Staat zwar nicht im Ausland, sehr wohl aber im Staat selbst klagen. Eine internationale Organisation wie die Opec hat aber keinen "Herkunftsstaat".

Was bedeutet das VfGH-Erkenntnis nun für den gekündigten Opec-Mitarbeiter? Die Immunität bleibe bis zum Ablauf des 30. September 2024 mit Ausnahme des (im Instanzenzug anhängigen) arbeitsgerichtlichen Verfahrens des Antragstellers aufrecht, so der VfGH. Gibt es bis zum Ablauf dieser Frist keine Neuregelung im österreichischen Recht und in den Statuten der Opec, könne in Österreich der Rechtsweg gegen die Opec beschritten werden.

EU-Fiskalpakt 2013 vor Verfassungsrichtern

Die letzten Verfahren, in denen der VfGH die Verfassungsmäßigkeit eines Staatsvertrages zu prüfen hatte, liegen laut diesem Jahre zurück. 2013 war es der Fiskalpakt zwischen den Mitgliedstaaten der EU, den die damaligen Oppositionsparteien FPÖ, Grüne und BZÖ über einen Drittelantrag vor die Verfassungsrichter gebracht hatten. Denn nur die damaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP hatten 2012 dem "Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion" zugestimmt. Die Opposition meinte, dieser sei nicht richtig beschlossen worden. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit wäre nötig gewesen, weil der Fiskalpakt die Verfassung ändere und der innerstaatlichen Budgethoheit zuwiderlaufe - etwa mit der Schuldenbremse.

Der VfGH wies den Oppositionsantrag damals ab, genauso wie 2014 einen Antrag des Verwaltungsgerichtshofs, der gegen das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Liechtenstein gerichtet war.