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Familienrechtsreform im Dornröschenschlaf

Von Katharina Braun

Recht

Obsorge, Kindesunterhalt, Kontaktrecht, Verschuldensscheidung - in vielen Bereichen sind Änderungen dringend notwendig.


Die in Arbeitskreisen besprochene Reform des Familienrechts steht nun schon seit längerem an. Angedacht ist Medienberichten zufolge eine gemeinsame Obsorge von Geburt an. Ein Vorhaben, das auf viel Kritik stößt. Der Begriff "Obsorge" soll künftig durch "elterliche Verantwortung" ersetzt werden. Meines Erachtens darf und sollte es aber jedenfalls keine gemeinsame Obsorge bei Vergewaltigung, bei einschlägigen Delikten gegen Leib und Leben und dann, wenn die Vaterschaft nicht binnen bestimmter Frist anerkannt wurde, geben. Ebenso sollte festgelegt werden, dass Gewalt gegen einen Elternteil, gleichbedeutend ist mit Gewalt gegen das Kind. Dies ist derzeit nämlich nicht der Fall. Bei Gewalt kann und darf es keine gemeinsame Obsorge geben.

Von einer gemeinsamen Obsorge sollte aber auch dann Abstand genommen werden, wenn der Kindesvater keinen Kindesunterhalt bezahlt. An dieser Stelle sei ausdrücklich hervorgehoben, dass es verpflichtender gesetzlicher Vorgaben für die Pflegschaftsverfahren bedarf. An diesen fehlt es derzeit. Denn derzeit hängt die Art der Abwicklung doch sehr von dem jeweiligen Richter ab.

Sehr viel Reformbedarf gibt es meines Erachtens beim Kindesunterhalt, der mit Luxusstopp, Regelbedarf, Naturalunterhalt, fiktivem Einkommen sehr kasuistisch ausgestaltet ist. Zudem gehört der Regelbedarf, der die Basis für den sogenannten Luxusstopp bildet (Bemessungsgrundlage für den Unterhalt für überdurchschnittliche Verdiener) jedenfalls angehoben. Nicht nur, dass die Höhe des Regelbedarfs auf einer Kostenanalyse aus dem Jahr 1964 gründet, federt dieser die Teuerung nicht ab. Abzustellen wäre daher beispielsweise auf das Existenzminimum, je nach Alter des Kindes mit einem bestimmten Bruchteil desselben beziehungsweise einem Multiplikator des Existenzminimums.

Da sich Unterhaltsverfahren (dies mit Gutachten etc.) oft sehr in die Länge ziehen, bedarf es bereits im Titelverfahren einer Unterhaltszahlung. Der derzeitige einstweilige Unterhalt ist viel zu gering bemessen, um von diesem den tatsächlichen Unterhaltsbedarf des Kindes decken zu können. Dieses Thema liegt ebenfalls schon sehr lange auf dem Verhandlungstisch. Herangezogen für die Unterhaltssicherung könnten in etwa die Beträge der Waisenpension.

Rechtlicher Wildwuchs bei der Doppelresidenz

Bei der sogenannten Doppelresidenz ist die Kindesunterhaltsbemessung ein rechtlicher Wildwuchs und sorgt in der Praxis nicht nur bei den Parteien, sondern auch bei den Juristen selbst für viel Kopfschütteln. Doppelresidenz bedeutet, dass sich das Kind gleichteilig bei beiden Eltern aufhält, also zum Beispiel jede gerade Woche beim Vater und jede ungerade Woche bei der Mutter. Dies bringt mit sich, dass zum Beispiel die Mutter vom Vater, selbst wenn er weit mehr als das Doppelte verdient, so gut wie keinen Kindesunterhalt von ihm erhält. Viele Frauen, vor allem wenn sie aufgrund vorheriger Kinderbetreuung Leerphasen im Erwerb hatten, geraten hierdurch oft in starke finanzielle Bedrängnis. Hier sollte eine höhere Unterhaltsverpflichtung für den besser verdienenden Elternteil festgelegt werden.

Überhaupt bedarf die Doppelresidenz, wie schon lange von der Politik angekündigt, der gesetzlichen Verankerung. Denn obwohl es bei der Doppelresidenz de facto keinen hauptsächlichen Aufenthalt gibt, ist bei Trennung der Eltern ein solcher formaliter festzulegen. Dies führt in der Praxis oft zu Streitereien um des Kaisers Bart und erschwert so einvernehmliche Einigungen.

Eine sogenannte Überbetreuung (Betreuung, die über "jedes zweite Wochenende und zwei Tage dazwischen" hinausgeht) führt zu einer Reduktion der Kindesunterhaltsverpflichtung. In der Rechtsprechung herrscht jedoch oft Uneinigkeit, was überhaupt unter so einem Betreuungstag zu verstehen ist. Hier bedarf es einer Klarstellung.

Viele Scheidungskinder oder uneheliche Kinder leiden auch darunter, dass den ehelichen Kindern beziehungsweise den Kindern aus der neuen Familie oft teure Ausbildungen finanziert werden, die ihnen selbst hingegen verwehrt wird. Hier könnte gesetzlich verankert werden, dass bei Finanzierung einer Privatuni alle Kinder denselben Anspruch auf diese Finanzierung erhalten. Vorausgesetzt, sie sind ebenfalls zu diesem Studium geeignet. Aber auch die Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines Kontaktrechts stehen, führen zu großen Problemen. Hier sollten diese Kontaktkosten, zumindest wenn beide Eltern gleich viel verdienen, geteilt werden. Derzeit ist es so, dass diese Kosten jener Elternteil alleine zu tragen hat, der das Kontaktrecht ausübt.

Pensionssplitting und gemeinsames Familienkonto

In Österreich wird seit Jahrzehnten über ein verpflichtendes Pensionssplitting diskutiert. Vor allem vor Wahlen ist dies immer wieder ein Thema. Mit diesem wäre der Pensionsbezugsverlust, der mit Kinderbetreuung meist einhergeht, zumindest unter den Ehepartnern ausgeglichen.

Österreich kennt auch als eines der letzten Länder in Europa noch die Verschuldensscheidung. Daher wird in Österreich im Zuge einer strittigen Scheidung immer noch das Verschulden an der Zerrüttung einer Ehe geprüft. Dies führt zu hochpeinlichen Prozessen im Intimbereich. Oft enden strittig geführte Scheidungsverfahren mit einem gleichteiligen Verschulden. Es wäre daher zu überlegen, die Verschuldensscheidung auf gravierende Verschuldensgründe, etwa Gewalt, zu beschränken.

Auch in Österreich gibt es noch viele Ehen, die sehr traditionell ausgestaltet sind und in denen sich der eine Partner (meist die Frau) bedingt durch die Kinderbetreuung in finanzieller Abhängigkeit vom anderen befindet. Noch immer glauben viele Partner, dass bei einer Scheidung jedem das Sparbuch, der Vermögenswert verbleibt, auf dessen Namen dieser Wert lautet. Dies stimmt jedoch nicht. Alles, was während einer Ehe erwirtschaftet worden ist, egal von wem, ist aufzuteilen. Viele wissen jedoch bei einer Scheidung gar nicht, was es an Vermögenswerten gibt, was dann bei einer Vermögensaufteilung zu Lasten des nichtwissenden Ehepartners geht.

In jeder Beziehung, aber insbesondere in einer Ehe, sollten die Vermögensverhältnisse daher offengelegt werden. Von daher, wenn dies auch für viele wohl radikal anmuten mag, wäre die Einführung eines gemeinsamen Familienkontos zu überlegen, bei dem beide Ehepartner Einblick haben. Auf dieses Konto sollten dann zum einen die Einkünfte fließen. Zum anderen sollten von diesem Konto auch die Fixkosten wie Miete inklusive Betriebskosten, Kredite, diverse Kinderkosten und anderes bedient werden. So wäre bereits während der Ehe Transparenz gegeben.

Zu stärken gilt es meines Erachtens auch die Stellung der Lebensgefährtin oder des Lebensgefährten, die oder der sich um die Betreuung eines gemeinsamen kleinen Kindes kümmert. Denn in Österreich sind zwar uneheliche Kinder den ehelichen rechtlich grundsätzlich gleichgestellt, jedoch bekommen Lebensgefährten, die aufgrund der Kinderbetreuung beruflich zurückstecken, vom Partner für sich selbst keinen Unterhalt. In Deutschland hingegen gibt es auch für betreuende Lebensgefährten einen befristeten Unterhalt. Ein derartiger Unterhaltsanspruch sollte auch für Österreich überlegt werden.

Nicht verständlich ist aus meiner Sicht auch, dass eine Mutter, die ahnt, dass auch ein anderer Mann als biologischer Vater in Frage kommt, dies, bei sonstiger Schadenersatzverpflichtung, nicht offenzulegen hat.

Dies sind nur ein paar Themen, die einer gesetzlichen Reformierung oder zumindest einer Überlegung bedürfen. Denn es gäbe noch weit mehr endlich zu ändern.

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