Zum Hauptinhalt springen

Neue Gemeinnützigkeit im Wohnbau

Von Nevena Shotekova-Zöchling

Recht

Gastbeitrag: Bei der Neuregelung der Wohnungsgemeinnützigkeit sind einige Fragen offen geblieben.


Wien. Umfassende Neuerungen bringt die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) mit sich, die am 1. Jänner 2016 beziehungsweise 1. Juli 2016 in Kraft getreten ist. Eine der wichtigsten Änderungen ist die Neuregelung der Eigentumsübertragung von Mietwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen, besser bekannt als Genossenschaftswohnungen. Der Mieter einer Genossenschaftswohnung mit Kaufoption konnte bisher die betreffende Wohnung nach Ablauf von zehn Jahren von der Bauvereinigung erwerben und in weiterer Folge frei über die Wohnung ohne jegliche Nachteile verfügen.

Nunmehr gilt, dass falls der Mieter die neu erworbene Wohnung innerhalb einer sogenannten "Spekulationsfrist" von zehn Jahren nach dem Erwerb an einen Dritten weiterverkauft, allfällige Preisvorteile wieder in das Vermögen der Genossenschaft zurückfließen sollen. Zu diesem Zweck bekommen die Genossenschaften sogar ein Vorkaufsrecht.

Falls der alte Mieter die Wohnung sohin innerhalb dieser Spekulationsfrist weiterverkaufen will, muss er nun den Differenzbetrag zwischen dem an die Bauvereinigung bezahlten Kaufpreis und dem Marktwert im Zeitpunkt der Veräußerung an die Genossenschaft nachzahlen.

Unklarheit über Sachverständigen

Der nachzuzahlende Differenzbetrag soll nach den Gesetzesmaterialien einvernehmlich, jedenfalls nicht zwingend mit einem Sachverständigengutachten festgestellt werden. Diese unzureichende Regelung lässt damit viele Fragen offen, insbesondere wer die Auswahl des Sachverständigen trifft (in der Praxis wird dies wohl die Bauvereinigung veranlassen, womit aber die Unparteilichkeit nicht mehr gewährleistet ist), wer die Kosten für die Einholung dieses Gutachtens letztendlich tragen wird oder wie eventuelle Preisunterschiede im Zeitraum von immerhin zehn Jahren abgegolten werden. Eine allfällige Wertminderung der Wohnung in der Zwischenzeit bleibt sohin unberücksichtigt.

Üblicherweise tätigt der Mieter in einem Zeitraum von zehn Jahren außerdem wertsteigernde Investitionen im Mietobjekt. Falls die Wohnung von der Bauvereinigung aber zu einem bereits im Vorhinein fixierten Rückkaufpreis wieder erworben werden soll, stellt sich die Frage, inwieweit diese Investitionen dann berücksichtigt werden. Diese Unklarheiten dürfen aber nicht zum Nachteil des Mieters ausfallen. Es wäre durchaus wünschenswert gewesen, eine transparente Kaufpreisgestaltung im Sinne des Mieterschutzes festzulegen.

Von der Spekulationsfrist ausgenommen ist die Übertragung des Eigentums an den Ehegatten, an Verwandte in gerader Linie, einschließlich der Geschwister sowie den Lebensgefährten. Falls diese aber innerhalb der Spekulationsfrist an einen nicht begünstigten Dritten weiterverkaufen, löst dies die Verpflichtung zur Nachzahlung des "Gewinns" an die Bauvereinigung aus.

Eine weitere wichtige Änderung gibt es auch beim berühmt-berüchtigten Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB). Der EVB wird von der Bauvereinigung für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten von den Mietern eingehoben. Bisher gab es drei Stufen des EVB: Grundstufe, EVB I und EVB II. In den ersten zehn Jahren wurden von den Mietern im Rahmen der Grundstufe bis zu 0,43 Euro monatlich pro Quadratmeter, bis zum 20. Jahr 1,14 Euro (EVB I) und danach 1,71 Euro (EVB II) verlangt.

Keine Überraschungen,dafür von Beginn an teuer

Nunmehr wird die gemeinnützige Bauvereinigung nach der Neuregelung in den ersten fünf Jahren ab Erstbezug der Wohnung maximal 0,50 Euro monatlich pro Quadratmeter verlangen. Dieser Betrag wird ab dem sechsten Jahr sowie für jedes weitere Jahr um weitere zwölf Prozent angehoben: Dies entspricht 0,06 Euro bis zur Obergrenze von 2 Euro monatlich pro Quadratmeter.

Mit 1. Juli 2016 wurde also der Unterschied zwischen EVB der Grundstufe und der Stufen I und II abgeschafft, sodass nur noch ein einheitlicher Betrag verlangt wird. Jedes zweite Jahr erfolgt weiters eine Indexierung nach dem Verbraucherpreisindex.

Die Neuregelung hat eine lineare Vorschreibung des EVB zum Ziel, statt der früher stufenweise erfolgten Anhebungen, die sich als ziemlich negative Überraschungen für die Mieter dargestellt haben, insbesondere der Sprung von zum Beispiel 0,43 Euro auf 1,14 Euro. Andererseits wird es bereits von Beginn an zum Teil teuer für den Mieter.

Unzureichend geregelt wurde auch die Überprüfung der Verwendung des EVB auf seine inhaltliche Richtigkeit oder Angemessenheit der erbrachten Leistungen. Wurde bisher der EVB - und zwar nur, soweit er die Grundstufe übersteigt - nicht innerhalb einer Frist von zehn Jahren verwendet, bestand eine Rückzahlungsverpflichtung der Genossenschaft. Vor Ablauf dieser Frist konnten allfällige Mängel beziehungsweise Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung des EVB nicht aufgegriffen werden.

Die jährliche Abrechnung des EVB kann daher im Unterschied zu den Betriebskosten nicht direkt gerichtlich geltend gemacht werden, was für den Mieter durchaus nachteilig ist, wenn mit der EVB-Abrechnung unzulässige oder viel zu teure Arbeiten abgerechnet werden.

Kritik geerntet hat die weitere Regelung, wonach auch nach Ablauf der zehnjährigen Frist vollkommen ausreichend war, wenn die Genossenschaft nur die Nachvollziehbarkeit und die formelle Vollständigkeit der Verwendung des EVB darlegt, und eben nicht die inhaltliche Richtigkeit oder Angemessenheit der Kosten für die beauftragten Leistungen.

Trotz Kritik an dieser nicht gerade mieterfreundlichen Regelung wurde die Frist, in der der EVB verbraucht werden muss, von zehn auf zwanzig Jahre verlängert. Es ist daher sehr fraglich, ob der Mieter nach Ablauf von zwanzig Jahren seinen Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter EVB geltend machen wird, dies allein aus Beweisschwierigkeiten.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei Ausübung der Kaufoption seitens des Mieters nunmehr auch geregelt wurde, dass 60 Prozent der nicht verbrauchten EVB-Beträge in die Rücklage der Wohnungseigentümer zu übertragen sind. Es bleibt aber nach wie vor fraglich, wieso das Schicksal der restlichen 40 Prozent EVB nicht ausdrücklich geregelt wurde.

Zur Autorin

Nevena Shotekova-Zöchling

ist Rechtsanwältin bei Robathin & Partner Rechtsanwalts KG und spezialisiert auf Immobilienrecht, Unternehmensrecht und Vertragsrecht.

(Kontakt: office@robathin.at; www.robathin.at)