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Ich und die "Wiener Zeitung"

Von Hans-Paul Nosko

Ein ungewöhnlicher Erstkontakt und die alte Frage nach 350 möglichen Jahren . . .


Hans-Paul Nosko lebt als Journalist und Glossist in Wien.
© Robert Newald

Mein erster persönlicher Kontakt mit der "Wiener Zeitung" fiel in die Kategorie "ungewöhnlich". Dazu muss ich vorausschicken, dass ich zu den journalistisch Spätberufenen gehöre. Vielleicht war es die Tatsache, dass ein Jusstudium in den 1970er Jahren ausschließlich mündliche Prüfungen vorsah, was in mir den Wunsch nach mehr Schriftlichkeit wachrief.

Diesen erfüllte ich mir nach einigen Jahren des Juristendaseins zunächst in Form einer Studie für ein außeruniversitäres Forschungsinstitut zum Thema Arbeitslosigkeit; als allerdings mein wissenschaftlicher Betreuer mir erklärte, dass meine Arbeit zwar im Großen und Ganzen recht gut gelungen sei, ich jedoch künftig in meinen Texten auf längere Sätze und mehr Fremdwörter Wert legen solle, wusste ich, dass wohl eher eine Zeitung mein nächstes berufliches Zuhause werden würde.

Auf den Rat eines Freundes hin rief ich den Redakteur der Jugendseite der "Wiener Zeitung" an und fragte, ob er an einem Artikel über Jugendarbeitslosigkeit interessiert sei. Drei Sekunden Stille in der Leitung, dann, im matten Tonfall jemandes, der an derartige Anrufe gewöhnt ist, ein Wort: "Brennend."

Ich wusste nicht, wie ich diese Antwort einordnen sollte, schützte, um Zeit zu gewinnen, akustisches Nichtverstehen vor und stellte meine Frage ein zweites Mal. Darauf kam die idente Antwort, diesmal ohne Pause davor. Ich deutete dies, juristisch korrekt, als - zumindest formale - Interessensbekundung, verfasste meinen Artikel und trat, mein auf der Schreibmaschine getipptes Manuskript unter dem Arm, den Gang zum Rennweg im dritten Bezirk an, wo die Zeitung damals ihren Sitz hatte.

Der zuvor "brennend" interessierte Redakteur hieß mich auf das Freundlichste willkommen, versicherte mir nach Durchsicht des Manuskripts, dass dieses in Bälde erscheinen werde und fragte mich, ob ich an einer freiberuflichen Mitarbeit interessiert sei. Ich verkniff es mir, ihm ebenso zu antworten wie er einige Tage zuvor, obwohl ich es für mich nicht treffender hätte formulieren können.

In der Folge lieferte ich Artikel zu ganz unterschiedlichen Themen und fand mich schließlich eines Tages in der Außenpolitik-Redaktion, wo ich das Journalistenhandwerk von Grund auf erlernte: komplizierte Inhalte auf zehn Zeilen darzustellen ebenso wie den Unterschied zwischen Bericht und Kommentar zu beachten, griffige Titel zu texten genauso wie in denselben auf Fragezeichen zu verzichten ("Wir fragen die Leser nicht, wir geben ihnen Antworten"). Das komplette Rüstzeug eben, das im journalistischen Alltag unabdingbar ist und mir in der Folge auch in anderen Printmedien von größtem Nutzen war.

Im Jahr 2003, ich war damals noch Redakteur der "Wiener Zeitung", erhielten wir Visitenkarten mit dem in roter Schrift gehaltenen Zusatz "300 Jahre". Und insgeheim stellten sich einige von uns die Frage, ob es einer späteren Journalistengeneration wohl vergönnt sein würde, den Zusatz "350 Jahre" auf ihren Kärtchen vorzufinden ...