Urlaub in der Sowjetunion

Von solchen Fällen wie jenem von Ekaterina Lipovcenkos Sohn bekommt man nichts mit, wenn man zum Sowjettourismus nach Tiraspol reist. Transnistrien ist reich an alten Denkmälern und Gebäuden, die nach dem Zerfall der Sowjetunion nie abgerissen wurden. Vor dem Regierungsgebäude steht eine Lenin-Statue. Im berühmtesten Park der Stadt findet sich ein Stalin-Denkmal.

Freiluftmuseum der Sowjetunion

Der Geheimdienst trägt immer noch den Namen des sowjetischen Vorgängers „KGB“. Das Parlament heißt Oberster Sowjet. „Mit dieser Symbolpolitik möchte Transnistrien seine Eigenständigkeit unterstreichen und konsequent die Traditionen der Sowjetunion fortführen “, sagt Hannes Meissner vom Kompetenzzentrum Schwarzmeerregion.

Kürzlich ließ die Regierung eine Sonderbanknote zum 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg drucken. Auf der Rubel-Note war unter anderem das Sankt-Georgs-Band abgebildet, das in den letzten Jahren zum Symbol der pro-russischen Separatisten in der Ukraine wurde.

Selbst auf den Oberleitungsbussen hat der Staat Propaganda abdrucken lassen: „In die Zukunft mit Russland“ ist dort zu lesen. Dieser geballte Patriotismus, der einem in Transnistrien an jeder Ecke erwartet, eignet sich wunderbar für Marketingzwecke. Slogans wie „Urlaub in der Sowjetunion“ zeigen, dass in Transnistrien längst der Kapitalismus Einzug genommen hat.

Beruf: Touristenführer

Niemand kennt diese Marketingslogans so gut, wie Andrey Smolenskiy. Der 32-Jährige hat eine Firma namens „Transnistria Tour“ gegründet und ist heute der einzige, der hauptberuflich als Touristenführer arbeitet. Andrey ist östlich des Dnister geboren, spricht aber fließend Deutsch.

Als Schüler gab ihm seine Lehrerin deutsche Bücher in die Sommerferien mit, die er mit Eifer ins Russische übersetzte. Nach seinem Universitätsabschluss ging er zum Couchsurfen nach Europa. Die wenigsten Menschen, die er traf, wussten, wo seine Heimat liegt. „Das war der Moment als mir klar wurde, dass man daraus ein Geschäft machen kann“, sagt Andrey und zeigt ein breites Grinsen.

Er sitzt in einem rustikal eingerichteten Restaurant, eines der wenigen im Land, das wie er vom Tourismus lebt. Die Kellnerinnen tragen traditionelle Trachten und Blumenkränze in den Haaren. Zu jedem Essen wird Rettich-Schnaps serviert.

Während sich am Nebentisch eine Gruppe deutscher Pensionisten niederlässt, zieht Andrey Bilanz. 200 Gäste haben ihn im vergangenen Jahr gebucht. Andrey bietet den Besuchern das, was sie sich von Transnistrien erwarten: russische Gedichte, Wodka und Volkslieder auf der Ziehharmonika. In seinem Auto liegt eine CD des deutschen Liedermachers Reinhold Andert, der vorrangig Texte über die DDR verfasst hat.

„Keine Spannungen zwischen Moldau und Transnistrien“

„Russisch ist die Sprache der Weltraumflieger“ dröhnt es aus Andreys Autoboxen, während er durch Tiraspol fährt. Für ihn sei die Zeit in der Sowjetunion sorgenlos gewesen. Den Zerfall hat er als Kind nicht einmal mitbekommen. Seine Heimat sei ein Ort „an dem Menschen ihre Identität behalten konnten.“ Spannungen zwischen Moldauern und Transnistriern gäbe es heute keine mehr.