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Noch lange nicht bereit

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Womöglich ist Donald Trump tatsächlich ein Teil von jener Kraft, die stets, wenn schon nicht das Böse, so doch nach Ansicht seiner Kritiker das Falsche will. Und dabei am Ende vielleicht sogar das Gute - oder besser: Richtige - schafft.

Dieser auf den ersten Blick verquere Gedanke ist es allein schon deshalb wert, bedacht zu werden, weil es sich bei Trumps Vorgänger genau umgekehrt verhielt: Barack Obama strebte nach dem Guten und stärkte doch auf unglücksselige Weise die Antagonisten des liberalen Westens; in Libyen, in Syrien, im Irak, in China und in Russland.

Wenn also nun die Entscheidung Trumps, die US-Truppen vollständig aus Syrien abzuziehen, die westlichen Verbündeten ratlos, ja entsetzt zurücklässt, während deren Gegner - offen oder versteckt - jubilieren, dann sollten sich alle mit vorschnellen Langzeitprognosen zurückhalten.

Das hat zuvorderst mit Trump selbst zu tun. Er wird sich morgen schon nicht mehr darum scheren, was er heute sagt; was soll ihn da sein Reden und Tun von gestern kümmern? Es bleibt also abzuwarten, ob Trump den Worten tatsächlich Taten folgen lässt.

Zumal der Abzug auch in Washington auf Widerstand stößt. Was nicht verwundert, schließlich gelten Russland, der Iran und die Türkei als die großen Profiteure von Trumps Entscheidung, während die Kurden, die den Löwenanteil beim Bodenkampf gegen die Terrormiliz des IS geschultert haben, erneut im Regen stehen gelassen werden.

Neben den Menschen in Syrien ist Europa der größte Leidtragende der neuen Konstellation. Selbst wenn Trump einmal mehr umschwenken sollte, steht außer Zweifel, dass sich die Europäer nicht länger hinter den USA verstecken können, wenn es um die Durchsetzung ihrer strategischen Interessen in der geopolitischen Großregion geht. Scheitert eine dauerhafte Befriedung des zerbrechlichen Syriens, wird Europa die Folgen zu spüren bekommen: in Form neuer Flüchtlingen und fortgesetzter Instabilität mitsamt allen Folgen.

Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die EU in absehbarer Zeit daraus die Konsequenzen zieht. Eine Rolle als geopolitische Ordnungsmacht, deren enorme Soft Power und wirtschaftliches Gewicht mit robuster militärischer Macht unterfüttert ist, überfordert die politischen Eliten wie Bürger der EU noch auf lange, sehr lange Zeit. Europa ähnelt damit jenem Geist, der stets verneint, wenn das Reden ins Tun wechseln soll. Dass zur Politik die Bereitschaft gehört, sich die Hände schmutzig zu machen - gerne mit dem Ziel, die Verhältnisse zu verbessern -, hat die EU noch nicht gelernt. Aber womöglich hilft Trump, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen.