Zum Hauptinhalt springen

Kommt 2019 die Krise?

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Vor einem Jahr waren die Konjunkturaussichten noch in Ordnung: Die Weltwirtschaft verzeichnete das beste Wachstum seit dem Jahr 2010, in den meisten Volkswirtschaften brummten Industrie, Bauwirtschaft und Servicesektor.

Am Ende des Jahres 2018 sieht es anders aus: In den USA verzeichnet die Bauwirtschaft das Ende des Immobilienbooms. Es werden erstmals seit Längerem wieder weniger Einfamilienhäuser errichtet, gleichzeitig bleiben die Developer auf Luxusimmobilien in Manhattan sitzen. Die deutsche Industrie berichtet von Auftragsrückgängen, und in China entwickelt sich das Wachstum im Einzelhandel schwach wie seit 15 Jahren nicht. Rajesh Subramaniam, Vizepräsident des Logistikunternehmens und Paketzustellers FedEx, sagte unlängst in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten: "Der Höhepunkt des Wirtschaftswachstums scheint hinter uns zu liegen."

Ein Abflauen der Konjunktur ist keine Überraschung: Die US-Wirtschaft wächst seit Juni 2009 ungebrochen. Im historischen Vergleich ist das ein überdurchschnittlich langer Wachstumszyklus - üblicherweise halten solche expansiven Phasen um die fünf Jahre an.

Deshalb warnen in den USA pessimistische Experten bereits seit einiger Zeit vor einer möglichen Abkühlung der Konjunktur. Der Expertenkonsens lautet derzeit aber noch: Die US-Wirtschaft wird auch 2019 noch wachsen, allerdings besteht eine 1:6-Chance für eine Rezession noch im kommenden Jahr.

Das ist laut Angaben der New Yorker Federal Reserve das höchste Rezessionsrisiko, auf das die befragten Ökonomen seit dem Beginn des Wirtschaftsaufschwungs Mitte 2009 (nach der Wirtschaftskrise des Jahres 2008) getippt haben.

Ein Abflauen US- (und damit auch der Weltwirtschaft) hätte wohl auch politische Folgen: Wenn schon bei gutem Konjunkturklima "Gelbwesten" marodierend durch Paris ziehen und die italienische Regierung kaum in der Lage ist, ein Budget zu zimmern, das den Vorgaben der Europäischen Union entspricht, dann ist es nur schwer vorstellbar, wie diese Regierungen durch eine stürmischere See segeln wollen - noch dazu, wo der Brexit Europa ohnehin vor eine schwere Prüfung stellt.

Die Unzufriedenheit vieler Wählerinnen und Wähler ist schon in fetten Jahren erheblich - wie werden die Anhänger von US-Präsident Donald Trump, Marine Le Pen, der AfD, der Lega oder der FPÖ erst reagieren, wenn magere Jahre auf sie zukommen werden?

Schwer zu sagen. Denn wie stellte der US-kanadische Ökonom John Kenneth Galbraith einmal treffend fest: "Es gibt nur zwei Arten von Prognostikern: die, die nichts wissen, und jene, die nicht wissen, dass sie nichts wissen."