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Brücken statt Gräben

Von Simon Rosner

Leitartikel

Eine Einigung ist nicht leicht, aber sie ist leichter geworden.


ÖVP und Grüne haben es geschafft, eine Art Finale-Atmosphäre zu erzeugen, ob sie gemeinsam über eine Regierungsbildung sprechen oder nicht. Sondierungen sind ja nichts anderes als Verhandlungen über Verhandlungen, also eigentlich nicht viel. Das "Grande Finale" der Sondierungen ist daher in diesem Sinn kein Finale, sondern bestenfalls die Qualifikation.

Selbst wenn Türkis und Grün den Eintritt in Exklusivgespräche verkünden sollten, kann das Projekt noch scheitern. Und das, obwohl sich beide Parteien bisher offenkundig bemühen und ostentativ nett zu einander sind. Die Distanz zwischen ÖVP und Grünen ist eben recht groß.

Dennoch ist ein inhaltliches Argument nach dem anderen weggebrochen, warum sie es nicht miteinander versuchen sollten. ÖVP und Grüne verständigten sich auf fünf große Herausforderungen: Klimakrise, Wirtschaftsabschwung, Migration, Bildung und Transparenz. Das machte man extra publik. Vor allem die ersten drei Punkte haben Krisenpotenzial.

Nun liegt der überarbeitete Klimaplan vor. Das ist kein Wünsch-Dir-Was einer Umweltschutzorganisation, sondern wurde vom Umweltministerium, das bisher die ÖVP besetzte, erarbeitet. Da die Politik das Klima nicht mit Argumenten überzeugen kann, von einer weiteren Erwärmung abzusehen, muss sie die Bevölkerung von Maßnahmen überzeugen, die nicht allen gefallen werden. Auch dafür ist der Klimaplan eine gute Basis.

Der Wirtschaftsabschwung scheint nun nicht so schlimm zu kommen wie befürchtet beziehungsweise von der ÖVP avisiert. Das ist von Relevanz, weil sich damit der Druck verringert, alle Forderungen einer mutmaßlich darbenden Wirtschaft erfüllen zu müssen, um eine Rezession zu vermeiden. Kompromisse einer Wirtschafts- und einer Öko-Partei sind einfacher, wenn keine Krise herrscht.

Die Migration ist das dritte drohende Krisenszenario. Hier lässt sich wohl wirklich nicht sagen, was die Zukunft bringen wird. Aber Innenminister Wolfgang Peschorn stellte nun klar, dass Österreich und seine Nachbarn besser auf alle Eventualitäten vorbereitet seien als 2015. Zudem ist das Thema ohnehin nur multilateral zu lösen. Eine Bundesregierung kann zwar illegale Migration auf null stellen wollen, gewährleisten könnte sie dies aber nur mit einem Grenzregime wie im Kalten Krieg. Das will niemand.

Das heißt nicht, dass Einigungen bei diesen drei Themen nun leicht wären. Aber sie sind leichter geworden. Wo Gräben waren, sind auf einmal Brücken. Über diese muss man halt auch gehen wollen. Sollte das türkis-grüne Projekt scheitern, dann wohl eher, weil einfach doch nicht genug Vertrauen aufgebaut werden konnte. Das wäre allerdings ein genauso legitimer Grund wie unüberbrückbare inhaltliche Differenzen.