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Zeit der Expertinnen

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Sabine Haag als KHM-Direktorin zu bestellen, war logisch und überfällig.


Die Bestellung von Spitzenpositionen in staatlichen Betrieben ist eine heikle Sache - egal unter welcher Regierung. Spätestens mit der Verkündigung des Namens umweht den oder die gekürte Person ein Stallgeruch, der selten verschwindet - und dabei so manche bestehende (oder fehlende) Qualifikation überdeckt. Die aktuelle Expertenregierung versteht sich da als Ausnahme - zumal sie Personalentscheidungen grosso modo der künftigen Regierung überlassen wollte. Doch Außen- und Kulturminister Alexander Schallenberg hat dieses Aufschieben durchbrochen und gleich zwei zentrale Bestellungen in der Kunst vorgenommen: Zum einen hat er Sabine Haag, derzeit interimistische Direktorin des Kunsthistorischen Museums, mit 1. Jänner wieder definitiv bestellt. Die ausgewiesene Expertin ist somit offiziell wieder im Amt, die Posse um den kurzfristig abgesprungenen Eike Schmidt damit Geschichte.

Dass Haag das Haus zu führen versteht, beweist sie seit 2009. Mit fachkundiger Umsicht und erfrischender Unaufgeregtheit ist ihr der Balanceakt gelungen, Klassiker der Kunstgeschichte zu präsentieren und dabei immer wieder befruchtende künstlerische Brücken in die Gegenwart zu schlagen. Ihre neuerliche Kür ist eine absolut stimmige, logische und überfällige Entscheidung - jede andere wäre zumindest äußerst verwunderlich gewesen.

Dass der Kulturminister am selben Tag mit Petra Bohuslav eine ÖVP-Politikerin als Geschäftsführerin der Staatsoper - an der Seite des designierten neuen Direktors Bogdan Roščić - bestellt hat, mag Zufall sein. Es illustriert jedenfalls als Kehrseite ein und die selbe Medaille. Selbst als Entscheidung eines parteilosen Ministers löst die Berufung einer aktiven Spitzenpolitikerin in die Leitung eines Kulturbetriebes mehr als nur Fragen anderer Parteien aus. Dass die langjährige niederösterreichische Landesrätin sich mit Zahlen auskennt, ist offenkundig. Der Wechsel aus der trockenen Politik in die Praxis des bunten Kulturbetriebs wird eine Herausforderung.

Was beide Entscheidungen trotz unterschiedlicher Ausgangslage eint: Die Gekürten gingen als Favoritinnen aus Expertenkommissionen hervor - eine mittlerweile gängige Praxis, die Bestellungsmodalitäten maßgeblich professionalisiert und auf eine solide Basis gestellt hat. Ministerielle Günstlingsbestellungen im Alleingang reduziert das zumindest. Dass beide Kultur-Spitzenpositionen mit Expertinnen besetzt wurden, ist ein erfreulicher Nebenaspekt. Und ein Schritt in eine hoffentlich nicht allzu ferne Realität, in der das Geschlecht bei der Kür von Leitungspositionen keine Rolle mehr spielen wird. Aber davon ist Österreich noch ein paar Entscheidungen entfernt.