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Zwischen den Fronten

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die EU muss aufpassen, nicht zum Feindbild zu werden. Das ist auch Sache der Regierungschefs.


Die Suche nach Finanzierungsalternativen zu den nicht konsensfähigen Euro-Bonds für die Billionen-Euro-schwere Aufbauhilfe hat viel Feuer aus der Debatte über die Bewältigung der Corona-Krise genommen. Das ermöglicht es den 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrer Videokonferenz am Donnerstag sich mit Pragmatismus nach vorne statt mit einer auf der Stelle tretenden Prinzipienreiterei zu beschäftigen.

Natürlich verschärfen die Folgen der Pandemie die Spannungen in der EU, insbesondere zwischen den Mitgliedern der Eurozone; massiv sogar. Ist auch ein Bruch der Währungsunion vorstellbar? Gegenfrage: Was kann, nach den Erlebnissen der vergangenen Wochen, überhaupt ausgeschlossen werden?

Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios geht trotzdem gegen Null. Viel spricht hingegen dafür, dass auch diese Krise die Integration der EU weiter voranschreiten lässt, genauso, wie dies nach noch fast jeder Krise (einzige Ausnahme: die Migrationskrise) der Fall war.

Die Institutionen der Union sind nicht besonders geeignet als Krisenfeuerwehr. Aber der europäische Rahmen wird entscheidend dafür sein, wie - und wie schnell - die Union aus dieser kritischen Rezession wieder herausfindet und auf einen Wachstumspfad zurückkehrt. Die bei manchen jetzt sprießenden Träume von einer Wirtschaft ohne Wachstum, von Verzicht und Genügsamkeit verkennen, wie elementar unser Wohlstand und unsere Sozialsysteme auf - sozial und ökologisch verträgliches - Wachstum angewiesen sind.

Wem die Debatte in der EU um einen gemeinsamen Weg aus der Corona-Krise viel zu lange dauert, der hat emotional gute Gründe auf seiner Seite. Aber Konsens zwischen 27 Mitgliedstaaten, EU-Parlament und EU-Kommission herzustellen, kostet Zeit. Zudem droht ein böses Erwachen, wenn weitreichende Entscheidungen durchgedrückt werden.

In etlichen Nettozahlerstaaten gibt es keine Mehrheit für eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden - weder in den Parlamenten noch in der Bevölkerung. Das kann man falsch finden, aber man kann es nicht ignorieren. Umgekehrt muss unbedingt verhindert werden, dass die Menschen in jenen Staaten, die am härtesten von der Pandemie betroffen sind, das Gefühl haben, sie würden in der Krise von der Union und ihren Partner im Stich gelassen. In beiden Fällen würde die EU zum Feindbild.

Hierin liegt in der aktuellen Situation die größte Gefahr, die es um jeden Preis (die Formulierung liest man leider inflationär) abzuwenden gilt. Am Donnerstag haben die Regierungschefs die Chance, einen Schritt zu diesem Ziel zu machen.