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Nebelwerfer statt Konsens im U-Ausschuss

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Republik würde sich einen Konsens darüber verdienen, was nie wieder sein darf.


Mit der Normalität hat Österreich seine liebe Mühe. Das Land bevorzugt, jedenfalls was seine politisch-mentale Verfasstheit angeht, den Ausnahmezustand. So gesehen ist es normal, dass Untersuchungsausschüsse, bekanntlich die schärfste Waffe der Opposition kein Sonderfall, sondern längst Routine sind.

25 U-Ausschüsse hat es seit 1945 gegeben (der allererste der Republik wurde schon von der konstituierenden Nationalversammlung 1919 eingesetzt, es ging um eine politisch gut vernetzte Holzmafia). Der nun beginnende 26. widmet sich der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" - und der 27. zur Aufarbeitung des Corona-Krisenmanagements von Türkis-Grün steht für 2021 schon bereit.

Normal wäre es zudem, dass der Zweck eines U-Ausschusses, die Klärung der politischen Verantwortung, nach Abschluss gerichtlicher Verfahren erfolgt. Doch während die Justiz Zeit benötigt, muss das politische Eisen geschmiedet werden, solange es noch heiß ist. Dass sich deshalb maßgebliche Personen vor dem U-Ausschuss der Aussage wegen laufender Verfahren entschlagen, wird in Kauf genommen.

Zu Recht. Die politische Aufarbeitung der Ibiza-Affäre erlaubt keinen Aufschub. Dazu steht für die politische Kultur zu viel auf dem Spiel, sind die Vorwürfe zu schwerwiegend; auch, weil eine gerichtliche Verurteilung möglich, aber keineswegs gewiss ist. Tatsächlich kann nicht oft genug wiederholt werden, dass die Ibiza-Affäre zuallererst ein charakterlich-moralischer Offenbarungseid ist. Doch weil sich Johann Gudenus und HC Strache ohnehin selbst disqualifiziert haben, werden SPÖ und Neos ihre Energien dafür einsetzen, die Kanzlerpartei ins Visier zu nehmen. Die FPÖ wird aus Selbstschutz kräftig mitwirken und mit Insiderwissen punkten: Im Fokus stehen alle wesentlichen Personalentscheidungen unter Türkis-Blau.

Bei den zu erwartenden Ergebnissen empfiehlt sich, gemessen an den bisherigen Erfahrungen, jedenfalls Vorsicht. Die Parteien, alle Parteien, haben es zur Kunst perfektioniert, mit Nebelgranaten zu werfen und Ablenkungsmanöver zu lancieren. Auf dass jede Seite aus den Ergebnissen herauslesen kann, was ihr gefällt. Mit großer Sicherheit wird es auch diesmal so sein. Es wird an den Medien liegen, für klare Sicht zu sorgen. Trotzdem hätte sich die Republik einen Konsens aller Kräfte im Parlament darüber verdient, was sich nie wieder wiederholen darf. Aber das wäre ein Sonderfall, und in Österreich bestimmt bekanntlich die Normalität den Alltag.