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Rezepte gegen Provokation

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das Kalkül des inszenierten Sturms auf den Reichstag ging auf. Daraus sollte die Politik lernen.


Der versuchte und von der Exekutive schnell beendete Sturm auf den Deutschen Bundestag am Samstag steckt der dortigen Politik noch immer in den Knochen. Eine zunächst von den Behörden verbotene und dann doch von den Gerichten erlaubte Demonstration gegen die Corona-Politik der Regierenden eskalierte und wurde schließlich von nicht wenigen Rechtsradikalen gekapert.

Seitdem sind die wirkmächtigen Bilder vom Sturm auf das deutsche Parlament im historischen Gebäude des Reichstags sowie von robust durchgreifenden Polizisten in der Welt. Natürlich ließen sich auch die Posterboys der österreichischen rechtsextremen Szene diese Inszenierung nicht entgehen, zumal sich mit diesen Bildern im großen weiten Netz unter Verschwörungstheoretikern und entschlossenen Gegnern der parlamentarischen Demokratie trefflich wuchern lässt, nach dem Motto: Seht her, so werden wir unterdrückt.

Wer das unbedingt glauben will, wird dies wohl auch tun. Der Staat, die Medien, die Gesellschaft hat da, wenn man ehrlich ist, nur bescheidenen Einfluss. Es ist im Grunde genommen aber auch egal. Der Grundsatz, wonach die Gedanken frei sind, gilt für alle. Gerade gefreut dürfte die Rädelsführer des Protests aber haben, dass die Spitzen der deutschen Republik ihren Aktionismus auch noch mit Überhöhung adelten. Wenn etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von einem "unerträglichen Angriff" auf das Herz der deutschen Demokratie spricht, den "wir niemals hinnehmen werden", dann dürfen sich die Angesprochenen wohl beglückwünschen. Deren Kalkül ist offensichtlich voll aufgegangen.

Nicht nur die deutsche Demokratie steht auf festeren Beinen, um eine solcherart inszenierte Provokation locker auszuhalten. Trotzdem sollten Politik wie Behörden aus den Ereignissen die richtigen Schlüsse ziehen: Öffentlicher Protest ist ein Freiheitsrecht, also sollten Demonstrationen soweit es irgend geht zugelassen werden; die dabei notwendigen Auflagen sind allerdings konsequent von Veranstaltern wie Teilnehmern einzufordern.

Die nun vom Berliner Senat angekündigte generelle Maskenpflicht für Demonstrationen ist eine Möglichkeit, allerdings sollten sich die Auflagen im Rahmen der sonstigen Vorgaben für öffentliche Veranstaltungen bewegen. Die Politik darf erst gar nicht den Eindruck erwecken, als wolle sie ihre Kritiker anders, nämlich härter behandeln als alle anderen. Und die Politik darf umgekehrt nicht zögern, bei Verstößen einzuschreiten. Nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit, gewiss, aber mit ein und demselben Maßstab für alle.