Zum Hauptinhalt springen

Von Korea lernen

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Die Frage in der Covid-19-Krise lautet: "Wir können’s nicht, warum können’s die?" Ein Aufruf zum Ende der europäischen Arroganz und zu mehr Lernwillen.


Von Südkorea kann man lernen. Das wusste schon VW-Vorstand Martin Winterkorn, der bei einer Automobilmesse vor fast zehn Jahren in einem Hyundai-Konkurrenzfahrzeug saß und staunte. "Da scheppert nix", lobte der Wolfsburger Spitzenmanager die koreanischen Ingenieure, die die eine geräuschlose Lenkradverstellung am Auto hinbekamen. "BMW kann’s nicht, wir können’s nicht, warum können’s die?" Das Youtube-Video wurde in all den Jahren millionenfach abgerufen. Und die Frage von Winterkorn - der sich übrigens 2021 wegen des Dieselskandals vor Gericht verantworten muss - ist nun in der Pandemie hochaktuell: "Wir können’s nicht, warum können’s die?" Warum kann es zum Beispiel Südkorea? Das 52-Millionen-Einwohner-Land hat seit Beginn der Pandemie insgesamt 26.146 Covid-19-Fälle zu verzeichnen. Das ist weniger, als Österreich derzeit an aktiven Fällen (nämlich 36.989) hat, und viel weniger als die 91.895 Covid-19-Fälle, die in Österreich seit Beginn der Pandemie verzeichnet wurden.

Südkorea ist ein gutes Vergleichs-Beispiel für den Erfolg Ostasiens im Kampf gegen die Pandemie: Eine quicklebendige Demokratie, hochgradig urbanisiert (rund 80 Prozent der Einwohner wohnen in Städten, in Österreich sind es rund 60 Prozent), hoher Bildungsgrad der Bevölkerung (über 42 Prozent Akademikerquote, Österreich 21 Prozent). Man kann davon ausgehen, dass ein hohes Verständnis für Naturwissenschaften in der Gesellschaft bei der Bekämpfung der Pandemie von enormen Nutzen ist. Die Homogenität der Gesellschaft, hohes Vertrauen in den Staat, eine lange Tradition des Maskentragens sowie eine rasche und strikte Abschottung der Länder durch Grenzschließungen haben beim erfolgreichen Kampf gegen die Pandemie sicherlich eine Rolle gespielt. Manches davon ist in Europa nicht zu machen: Bunte, multikulturelle Gesellschaften und offene Grenzen sind Teil der europäischen Identität und Geschichte, während Korea - eingeklemmt zwischen China und Japan - sich jahrhundertelang abgekapselt hat.

Wo man aber von Südkorea lernen sollte, ist, dass das Land von Anfang an beim Contact Tracing auf völlige Transparenz und Big Data gesetzt und gewaltige Anstrengungen beim Testen unternommen hat, während in Europa gerade ein Land nach dem anderen beim Contact Tracing kapituliert. Japan, Korea und China haben den Aufstieg zur Weltspitze geschafft, indem sie erfolgreiche Modelle aus dem Westen kopiert und für ihre Zwecke adaptiert haben - ihre eigenen Traditionen und Charakteristika haben sie dabei aber nie aufgegeben. Nun wäre es an der Zeit, dass Europa die eigene Arroganz schleunigst ablegt und von Ländern wie Korea lernt.