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Der Triumph des Pieks

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ist ein moralisches Gebot.


Wie eine Pandemie endet, das haben schon die Macher des prophetischen Katastrophenfilms "Contagion" aus dem Jahr 2011 eindrucksvoll auf die Leinwand gebracht. In metallisch glänzenden Luftpolsterkuverts gehen die Impfdosen am Ende des Films wie wertvolle Kostbarkeiten von Hand zu Hand, in einer Szene köpft ein Filmprotagonist nach der erfolgten Impfung gemeinsam mit seiner Frau eine Flasche Sekt und feiert das Leben und den Triumph der Wissenschaft über das Virus.

Die Realität ist fast ebenso filmreif: Auf der Titelseite der "Wiener Zeitung" war vor kurzem die 90-jährige Margaret Keenan abgebildet, die als Erste im Westen außerhalb eines klinischen Tests gegen Covid-19 geimpft wurde. Die Impfung ist der Weg, den Menschen Normalität zurückzugeben - auch wenn das noch einige Monate dauern wird.

Doch schon kündigen sich die Debatten über Impfpflicht an, die FPÖ bringt bereits eine Kampagne gegen den "Impfzwang" in Stellung. Die politische Auseinandersetzung mit Impfgegnern kann vorerst noch warten. Denn wie Jonathan Berman, Autor des kürzlich erschienen Buches "Anti-vaxxers: How to Challenge a Misinformed Movement" feststellt, wird das vorrangige Problem der weltweiten Impfkampagne in den kommenden Monaten ein inadäquates Impfstoffangebot und nicht mangelnde Nachfrage wegen zu geringer Impfbereitschaft sein.

Die Antwort auf die Frage, ob es ein moralisches Gebot gibt, sich impfen zu lassen, ist übrigens recht leicht zu beantworten: Ja - sobald klar ist, dass die Impfung auch die Übertragung von Sars-CoV2 wirksam vermindert. Denn in diesem Fall ist das Risiko des Einzelnen im Vergleich zum erwartbaren Nutzen für die Gesellschaft vernachlässigbar.

Zudem ist es legitim, dass - vorausgesetzt, die Impfung unterbindet auch die Übertragung - ein Impfnachweis für die Ausübung bestimmter Berufe, die Benutzung von Verkehrsmitteln oder den Besuch von Massenveranstaltungen verpflichtend wird, sobald die Impfung für alle verfügbar ist. Für die Einreise in bestimmte Länder wird ein Covid-19-Impfnachweis obligatorisch sein, so wie das heute schon bei vielen Ländern bei der Gelbfieber-Impfung der Fall ist. Eine Verknüpfung der Impfbereitschaft mit der Auszahlung von Sozialleistungen wäre auch nichts Neues: So ist der Mutter-Kind-Zuschuss von der Absolvierung des Impfprogramms abhängig.

Wenn die Menschheit 2021 die Pandemie langsam überwindet, dann ist das der Wissenschaft zu verdanken. Es wäre schade, wenn Verschwörungstheoretiker, Wirrköpfe, Pseudowissenschafter und politische Opportunisten diesen Triumph der Wissenschaft zunichtemachen würden.