Zum Hauptinhalt springen

Ein Markt, aber nicht nur

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Frage des richtigen Umgangs mit China sollte Europa trotz Corona intensiver beschäftigen.


Auch wenn es schwerfällt, den Blick von den innenpolitischen Kalamitäten in Sachen Covid und Justizermittlungen loszueisen: Es braut sich weitaus Bedrohlicheres jenseits des kleinen und ungeachtet aller Widrigkeiten nach wie vor beschaulichen Österreichs zusammen. China ist drauf und dran, in diesem Jahrzehnt seine in der Vergangenheit akkumulierte ökonomische Marktmacht und Energie nun auch in militärische Kraft zu transformieren.

Dieser Prozess ist zwar schon in Gang, wird sich aber noch weiter deutlich beschleunigen. Wenn ab Freitag der Nationale Volkskongress, Chinas Antithese zu einem frei gewählten Parlament, zu seiner Sitzung zusammentritt, erwarten Beobachter einen neuerlichen kräftigen Sprung bei den Militärausgaben. Zwar investieren die USA absolut immer noch das Zweieinhalbfache, doch China holt auf.

Die größte Bedrohung trifft die Insel Taiwan, die nur einen Katzensprung vom Festland entfernt ist und von Peking als ewiger Teil Chinas beansprucht wird. Die Lage Taiwans ist prekär: Hier ein wohlhabendes und demokratisches Eiland von kaum 24 Millionen Einwohnern, dort eine zunehmend aggressiver auftretende Supermacht mit
1,4 Milliarden und einem Staatschef, der entschlossen scheint, auf Augenhöhe mit Mao in die Geschichtsbücher einziehen zu wollen. Taiwan ist das lockendste Objekt dieser Begierde. Das Einzige, das dem entgegensteht, ist die implizite Sicherheitsgarantie der USA für Taiwan. Aber das Ausmaß an Entschlossenheit in Washington für eine direkte militärische Konfrontation mit China ist alles andere als gewiss.

Europa tut derweil so, als ginge es das alles nichts an. China ist hier vor allem ein Markt. Wenn das so bleibt, werden die Versuche eines Neustarts der transatlantischen Beziehungen unter dem neuen US-Präsident Joe Biden schnell versanden. Der Wert dieser Partnerschaft bemisst sich aus Sicht der USA daran, inwieweit die Europäer bereit sind, auch globale Lasten zu schultern.

Das heißt nicht, dass Europa zum Erfüllungsgehilfen bei der globalen Durchsetzung von US-Interessen herabsinken soll. Es stellt sich aber die Frage, ob die EU es auch als ihre Aufgabe versteht, eine Demokratie vor der Aggression einer Diktatur zu schützen. Dabei geht es nicht um die Bereitschaft, einen zehntausend Kilometer entfernten Krieg zu führen. Der Schutz von Freiheit und demokratischen Grundrechten ist zunächst eine politische und wirtschaftliche Frage. Denn klar ist auch: China braucht den Westen und seine Märkte, um die eigene innere Stabilität nicht zu gefährden. Das ist der Hebel, der die größte Chance hat, gegenüber China auch wirklich zu wirken.