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Weil wir Frauen sind!

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Das stete Ausweiten der feministischen Kampfzone schadet mehr, als es hilft.


Feminismus? Ja, aber welcher? In der Theorie scheint es kompliziert geworden zu sein in Sachen Geschlechtergleichstellung. Denn was ist mit Frauen, die aus religiösen Gründen diskriminiert werden oder aus rassistischen, wer kümmert sich um sie? Oder um jene, die aufgrund ihrer Bildungsferne schlechtergestellt sind? Die Debatte zerfranst schnell. Und mit ihr das zentrale Anliegen dessen, was einmal Frauenbewegung hieß.

In der Praxis ist es ernüchternd einfach: Frauen werden aus vielen Gründen benachteiligt. Vor allem aber: weil sie Frauen sind. Gehalt, Karriere, Gewaltschutz, Mitgestaltung, sexuelle Belästigung, Altersarmut, Vereinbarkeit von Beruf und Familie - die Themen sind bekannt. Die aktuelle Krise verstärkt die bestehenden Probleme wie ein Brennglas. Während sich die Lebensrealität von Frauen in einigen Bereichen in winzigen Schritten zu verbessern scheint - von zögerlichen Quoten in Führungsetagen über mehr Kinderbetreuungsplätze bis zu Aktionen im Gewaltschutz -, galoppiert die feministische Debatte in großen Schritten voran. In eine nicht unproblematische Richtung.

Intersektionalität heißt das jüngste Schlagwort des Diskurses aus den USA, das nun auch in Europa angelangt ist. Grundthese: Feminismus war bisher zu weiß, zu wohlsituiert, zu akademisch. Frauen werden auch benachteiligt, weil sie eben all das nicht sind. Feminismus soll sie alle unter die Fittiche nehmen, so die Forderung, sonst sei er ein Luxusproblem für reiche Oberschichtenfrauen. Doch das Ausweiten der feministischen Kampfzone zu einer Art allumfassenden Antidiskriminierungsbewegung bekommt den fahlen Beigeschmack einer Leerformel und schreibt den Opferdiskurs immer weiter. Als generelle Antidiskriminierungsgruppe nimmt dieser Feminismus den Rang einer Wertedebatte ein - und verschwindet damit praktisch von der politischen Agenda.

Diskriminierung ist immer zu verurteilen. Egal aus welchen Gründen. Doch alle Faktoren der Schlechterstellung gleichzeitig bekämpfen zu wollen, ist ein Vielfrontenkrieg, der sich nicht gewinnen lässt. Frauen nicht mehr zu diskriminieren, weil sie Frauen sind, ist da eine vergleichbar konkrete Aufgabe.

Wie eine maßgeblich von (weißen) Männern geprägte Welt aussieht, wissen wir. Ein Blick in die Gegenwart genügt: Klimakrise, globale Ausbeutung, instabile Demokratien, irrationale turbulente Finanzmärkte - die Menschheit steht vor einigen Sackgassen. Wege aus diesen globalen Krisensituationen zu finden, wird nur gelingen, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt beteiligt sind. Die Welt lässt sich nur gemeinsam retten.