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Europas wichtigster Job

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die EU muss deutlich machen, dass sie einen Unterschied ausmacht - zum Besseren.


Die EU hinkt hinterher, ausnahmsweise nicht nur hinter den Spitzenreitern beim Impfen, sondern auch beim Zeitplan, den sich die EU-27 für die "Konferenz zur Zukunft Europas" verordnet haben. Eigentlich hätte bereits im Mai 2020 der Startschuss fallen sollen, doch die Corona-Krise legte ein Veto ein. Nun erfolgt an diesem Mittwoch mit einer Erklärung der EU-Spitzen der offizielle Auftakt.

Ziel soll es sein, die EU demokratischer und handlungsfähiger zu machen - die Hervorhebung ist Absicht. Mehr Demokratie verschafft Entscheidungen zwar eine höhere Akzeptanz, in der Regel geht die Einbindung von allen Betroffenen aber auf Kosten der Geschwindigkeit und Effizienz von Entscheidung. Trotzdem sind beide Ziele richtig und wichtig. Bürgerräte sollen Lösungen weisen.

Dass sich die EU mit ihren Fehlkonstruktionen und Defiziten beschäftigen muss, liegt auf der Hand. Damit geht jedoch die Gefahr einher, vor lauter Selbstbeschäftigung den Blick für die Probleme der Menschen verlieren. Zudem droht jede Debatte über eine institutionelle Reform in ein Gerangel um Hierarchien und Einfluss auszuarten.

Das ist superspannend und abendfüllend für alle Beteiligten in Brüssel, aber nichts interessiert die Bürger an Europa weniger. Zumal jetzt, wo zu vermuten wäre, dass die EU-Institutionen mit den Aufräumarbeiten der Krise zu tun haben. Die EU muss deutlich machen, dass sie einen Unterschied ausmacht - und zwar zum Besseren und nicht zum Schlechteren für die Lebensrealität der Menschen.

Dagegen taugt der Schlachtruf, die EU zu demokratisieren, als Nebelwerfer. Dahinter versteckt sich ein beinharter Machtkampf zwischen dem Rat der Regierungschefs, dem EU-Parlament und der EU-Kommission. Tatsächlich hat die EU ein Demokratiedefizit. Dieses bezieht sich nicht zuletzt darauf, dass sich aus den 27 nationalen EU-Wahlen nur mit vielen Verbiegungen ein europäischer Wählerwille ableiten lässt. Den EU-Abgeordneten wiederum ist das Übergewicht der Regierungschefs ein Ärgernis.

Egal, wie diese Reformdebatte ausgeht: Europa wird kompliziert bleiben, weil es tatsächlich viele auseinanderlaufende Interessen zusammenführen will und muss. Zudem fehlt den Brüsseler Institutionen jenes mitunter über die Jahrhunderte gewachsene Vertrauensfundament der Menschen, mit dem die Nationalstaaten wuchern können. Die EU muss sich dieses erst erarbeiten und erstreiten. An diesem Problem kann so schnell keine Zukunftskonferenz etwas ändern. Doch die EU muss ihren Nutzen im Hier und Heute beweisen. Das muss jetzt die wichtigste Aufgabe aller Beteiligten sein.