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Wo steht Österreich?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Wer Partner braucht, muss vertrauenswürdig und berechenbar sein.


Im tränenreichen Film "Jenseits von Afrika" (mit dem großartigen Klaus Maria Brandauer in tragender Nebenrolle) antwortet die Hauptfigur, die Dänin Karen Blixen, von skeptischen Briten in der Weite des afrikanischen Busches gefragt, auf welcher Seite das kleine Königreich im Ersten Weltkrieg stehe, sinngemäß mit dem Satz: "Ich hoffe, auf seiner eigenen."

Auf welcher Seite Österreich steht, ist eine Frage, die neue Dringlichkeit erhalten hat. Nicht nur wegen des jüngsten Konflikts um die Verteilung der Impfstoffe, aber auch. Tatsächlich suchen die europäischen Partner schon seit dem EU-Beitrittsantrag Hinweise nach der Rolle Österreichs. Eines der stärksten Argumente der Beitrittsskeptiker lautete damals, dass damit die Position Deutschlands in der EU nur weiter gestärkt werde. Das wird Angela Merkel seit 2017, als Sebastian Kurz Kanzler wurde, zwar anders sehen, doch die Differenzen mit der Regierung in Berlin waren meist taktischer Natur; in den allermeisten inhaltlichen Fragen stehen Berlin und Wien auf der gleichen Seite. Wie auch, bei der Fülle an gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verflechtung.

Interessen sind, wenngleich zweifellos von enormer Bedeutung, aber nur das eine; das andere sind Ideen - Ideen für die Zukunft inklusive konstruktiver Kritik an der Gegenwart und Konzepten für bessere Lösungen. Wo steht da Österreich? Man wüsste gerne Näheres.

Kanzler Kurz hat es bereits als Außenminister meisterhaft verstanden, Innenpolitik über die Brüsseler Bande zu spielen. Damit ist er auch heute im Kreis der Regierungschefs nicht allein. Das ist nicht immer schön anzusehen, gehört aber zum politischen Geschäft. Wer daraus unbedingt etwas Positives ableiten will, kann immerhin sagen, dass die Grenze zwischen Innen- und Europapolitik endgültig verschwunden ist.

Schwerer wiegt der Mangel an Berechenbarkeit, die der österreichischen Position in Brüssel mittlerweile anhängt. Das Liebäugeln mit den Visegrád-Vier war jenseits des Gebots guter Nachbarschaft und enger wirtschaftlicher Bande politisch nie ernst zu nehmen (hoffentlich!). In einem zu engen Bündnis mit Deutschland fehlt Österreich eigene Beinfreiheit. Von daher hatte die Allianz der "frugalen Fünf" mit den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland europapolitischen Charme mit Chance auf Substanz.

Doch wie passt diese Partnerschaft zum Ergebnis des Impfstreits, den Österreich mit durchaus guten Argumenten losbrach, um am Ende recht einsam dazustehen? Alles nur, um neue Schlagzeilen zu kreieren und abzulenken? Wenn ja, dann wäre das eine ernüchternde Antwort auf die Frage, wo Österreich steht.