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Partner ohne Vertrauen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Enthüllungen über Spionage unter Freunden offenbaren das Dilemma der EU.


Man bekommt eine Ahnung von den Schwierigkeiten beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, wenn man sich die jüngsten Enthüllungen über Spionage unter engen, ja engsten Partnern vor Augen führt. Mit Hilfe des dänischen Geheimdienstes sollen die US-Spione von der NSA zwischen 2012 und 2014 neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier noch weitere Politiker aus Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Frankreich abgehört haben.

Kann man sich ein vertrauteres Verhältnis zwischen Staaten vorstellen als jenes zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden? Welche Rolle spielt Vertrauen in der Nato, wo die USA den Ton angeben und der mit Ausnahme Schwedens alle Beteiligten angehören? Auf die dänische Regierung, aber auch auf die Administration von US-Präsident Joe Biden kommen nun unangenehme Fragen auf.

Damals regierte in Dänemark die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt und jenseits des Atlantis der liberale Multilateralist Barack Obama. Die beiden verstanden sich offensichtlich auch abseits gemeinsamer Selfies besser, als ihren internationalen Partnern lieb sein konnte. Bei der verunsicherten Supermacht mag man über die Spionage gegen Feind, Freund und alles dazwischen, die spätestens seit 2013 dank Edward Snowdens Enthüllungen bekannt wurde, weniger überrascht sein. Interessanter ist die Frage, warum Dänemark eine solche Belastung für die Beziehungen zu seinen engsten Partnern riskierte. Die USA haben für jede Mittelmacht - neben Zwergen gibt es in der EU keine andere Kategorie - viel zu bieten, gerade im Informationsgeschäft, das immer noch von nationalen Regierungen betrieben wird. Die EU hat hier kein Leiberl.

Die USA werden die Enthüllungen zu dieser altbekannten Problematik (von der auch Österreich erheblich betroffen war) mit einem kurzen "Sorry" vom Tisch bekommen. Das Weiße Haus hat Möglichkeiten ohne Ende, einen Fauxpas gegenüber den Europäern mit einem Entgegenkommen an anderer Stelle auszugleichen. Die dänische Regierung wird härtere Fragen beantworten müssen. In der EU geht es um eine grundsätzlichere Kategorie von Vertrauen.

Der Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik kann nur gelingen, wenn sich alle Partner sicher sein können, dass an ihrem Tisch kein U-Boot einer anderen Macht sitzt. Schon gar nicht, wenn diese China oder Russland heißt. Aber auch gegenüber den USA müssen sich die Europäer aufeinander verlassen können. Von all dem ist die EU noch weit entfernt.