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Tun - und dabei lernen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Die Debatte um Flüchtlingsquoten bringt die EU nicht weiter. Die Hilfsbereitschaft muss als Chance gesehen werden.


Die verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen wird in der EU seit Jahren so kontrovers wie fruchtlos debattiert. Nicht einmal die offenen Arme, mit denen Frauen, Kinder und Alte aus der Ukraine aufgenommen werden, werden daran etwas ändern.

Im Gegenteil: Dass die schärfsten Kritiker verpflichtender Quoten besonders hilfsbereit agieren, macht deutlich, dass bürokratische Lösungen bei emotionalisierenden Themen an Grenzen stoßen.

Der Druck für Quoten kommt aus dem Süden der EU, wo die meisten Migranten ankommen. Die entschiedenste Ablehnung kommt aus den ost- und mitteleuropäischen Staaten. Um diese Blockade aufzubrechen, arbeitet die EU-Kommission seit Jahren an einem Kompromiss, der sich an der Idee verpflichtender Solidarität orientiert: Jeder muss einen Beitrag leisten, aber weder soll ein Staat zur Aufnahme gezwungen werden noch die Möglichkeit haben, sich von allen Verpflichtungen freizukaufen. Es gibt viel zu tun im Migrationsmanagement: Grenzen schützen, Verfahren durchführen, Abschiebungen durchführen, Hilfe vor Ort etc.

Es ist diese Flexibilität, prinzipielle Auffassungsunterschiede zu überwinden, die einer Union aus 27 Staaten das Agieren und schrittweise Vorankommen ermöglicht. Das Beharren auf Differenzen führt nur zu Frustration und Blockade. Im Gegenzug darf es bei der Einhaltung vereinbarter Grundprinzipien kein Herumdeuteln geben.

Die jetzige Situation wird nicht die letzte Flüchtlingskrise sein. Dass die Millionen Menschen aus der Ukraine mit großer Hilfsbereitschaft und Solidarität aufgenommen werden, sollten die EU wie ihre Mitglieder als Chance sehen, in einem positiven politisch-emotionalen Umfeld einen Mechanismus der Kooperation und Lastenteilung zu entwickeln, der auch dann funktioniert, wenn sich die Stimmung wieder dreht.

Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine unter einem besonderen rechtlichen Schutz stehen, der auch ohne Asylverfahren allen einen offiziellen Arbeitsmarktzugang ermöglicht. Das wird bei den meisten kommenden Fluchtwellen mit hoher Wahrscheinlichkeit anders sein. Aber die Aktivierung großflächiger zivilgesellschaftlicher Hilfsstrukturen, deren Zusammenspiel mit staatlichen Behörden, die Mobilisierung von Registrierungsprozessen, Wohnraum, Schulplätzen, Jobs, Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung sind Fähigkeiten, die in keinem Staat vom Himmel fallen. Die Rolle der EU-Ebene sollte dabei die eines Dienstleisters, Koordinators, Richtlinien-Gebers sein. Jetzt muss es heißen: tun, und dabei für die Zukunft lernen.