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Kein Plan, kein Sieg

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Kann Putin Russlands Niederlage als Sieg verkaufen?


In 20 Tagen werden in Moskau wieder die Panzer, Haubitzen und Raketenwerfer über den Roten Platz rasseln, Kampffahrzeuge und Lafetten über den Asphalt rollen, ganze Abordnungen von Soldaten im Stechschritt marschieren, Hubschrauber über den Platz der Parade knattern, Kampfjets und Bomber durch die Lüfte dröhnen. Die ersten Fotos von den Proben zu diesem Volksfest des Militarismus gibt es bereits, aufgenommen in Alabino, rund 50 Kilometer südwestlich von Moskau: Acht MiG-29-Kampfjets werden den Buchstaben "Z" am Himmel über der Hauptstadt formen. Jenes "Z", das in der Russischen Föderation zum notorischen Propaganda-Symbol des Angriffskrieges gegen die Ukraine geworden ist: "Z" für "Za pobedy - für den Sieg".

Sieg. Um nichts anderes wird es an diesem 9. Mai auf dem Roten Platz gehen, Moskau begeht den "Den Pobedy" (Tag des Sieges): Am 9. Mai 1945 um 1:16 Uhr (Moskauer Zeit) unterzeichnete die Führung der deutschen Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation.

Der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im "Großen Vaterländischen Krieg" wird im Jahr 2022, 3.000 Tage nach der Annexion der Krim und 10 Wochen nach dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine, ein Propagandafestspiel für Präsident Wladimir Putin. Das "Z" wird als Siegessymbol einen prominenten Platz einnehmen.

Die Frage ist freilich: Welcher Sieg? Militärstrategen diskutieren derzeit leidenschaftlich über die "Theorie des Sieges". Für Eliot Cohen, Professor an der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins Universität, ist die "Theorie des Sieges" nichts weiter als "eine Story, die erklärt, warum jemand denkt, dass alles so wird, wie man es sich vorgestellt hat".

Putin musste seine Theorie schon mehrmals über den Haufen werfen: Sein Blitzkrieg gegen Kiew wurde in Hostomel, Butscha und Irpin gestoppt, die russische Marine hat am 14. April mit dem Lenkwaffenkreuzer "Moskwa" ihr Flaggschiff im Schwarzen Meer verloren, nun bereitet der Kreml eine Offensive gegen den Donbass und die Ostukraine vor.

Wie will Putin der russischen Bevölkerung einen Sieg verkaufen? Die Ukraine ist für Russland verloren, die Nato ist geeint wie nie, und die Europäische Union hat jegliches Vertrauen zu Russland verloren und wird sich rasch von der Energieabhängigkeit von Gazprom und Lukoil verabschieden. Die Zukunft der Ukraine liegt im Westen, und in neutralen Ländern wie Finnland oder Schweden wird ein Nato-Beitritt diskutiert.

Putin sprach in den vergangenen Wochen immer wieder davon, dass in der Ukraine alles nach Plan laufe. Und am 9. Mai wird Putin von einem Sieg in der Ukraine sprechen. Doch welchen Plan meint er? Und welchen Sieg?