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Kurze Ablenkung

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Das Verfahren gegen Schmid, Kurz & Co hat weiter Brisanz. In der neuen Realität wirkt es trotzdem wie aus fernen Tagen.


Am Dienstag fand sich Österreich endlich wieder in seiner kleinen, vielleicht nicht heilen, aber wenigstens vertrauten Welt wieder. Und das nach langen Monaten, in denen explodierende Energiepreise, horrende Inflation, kalte Wohnungen und die Wahrscheinlichkeiten eines Atomkriegs täglich die Schlagzeilen bestimmten.

Seit Dienstag darf die dystopische Realität kurz Pause machen, bleibt die unerfreuliche Außenwelt für einige Momente ausgesperrt, kann die öffentliche Republik endlich wieder in ihren liebsten Zustand zurückkehren: zur leidenschaftlichen Selbstbeschäftigung.

Zu verdanken ist das Thomas Schmid, jener Schlüsselfigur in der Vielzahl an Verfahren, deren Augenmerk einst beim Ibiza-Video der FPÖ begonnen hatte und schließlich zur türkisen ÖVP von Sebastian Kurz gewandert ist. Schmid sei, so vermeldete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nun, zur Kooperation bereit, habe bereits an 15 Vernehmungstagen ausgesagt und wolle jetzt den Status eines Kronzeugen. Wer es schon vergessen haben sollte, muss hierzu wissen: Die Chats aus Schmids Mobiltelefon sind der größte Schatz der WKStA in diesem Riesenverfahren (45 Beschuldigte, darunter Ex-Kanzler Kurz, wegen des Verdachts der Untreue, der falschen Beweisaussage, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechlichkeit, der Bestechung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses).

Das Verfahren hat ungebrochen staatspolitische Relevanz und Brisanz, vor allem für die ÖVP, aber nicht nur. Trotzdem wirkt es angesichts der so bestürzenden Weltlage wie ein Posthornton aus einer längst vergangenen Zeit (dabei ist die Epoche Kurz gerade erst zwölf Monate Geschichte). Und die mit jeder kleinen, oft gezielt verbreiteten Information über neue Verfahrensschritte verbundene öffentliche Aufgeregtheit noch viel mehr.

Dass Schmid mit den Ermittlungsbehörden kooperiert, kann für das Verfahren von zentraler Bedeutung sein. Noch wichtiger ist jedoch, ob, und wenn ja, gegen wen es am Ende der Ermittlungen tatsächlich zu Anklagen kommen wird. Und entscheiden wird am Ende, was ein ordentliches Gericht dazu sagt.

Diese Ermittlungen sind wichtig für die Selbst- und Außenwahrnehmung Österreichs, sie können einen Beitrag zur demokratiepolitischen Hygiene leisten - nicht zuletzt durch ein über jeden Zweifel erhabenes Ermittlungsverfahren. Bis zu dessen Abschluss sollte die Republik jedoch die Kraft aufbringen, die Prioritäten richtig zu setzen und sich den dringenden Problemen widmen.