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Die Zukunft muss warten

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Wie kann es sein, dass die größte Macht ein solches Problem mit der Suche nach Bewerbern für den Top-Job der Welt hat?


Viel fehlt nicht mehr, und die USA erleben ein Déjà-vu. Nachdem Präsident Joe Biden am Dienstag seine Wiederkandidatur für 2024 angekündigt hat, muss nur noch Donald Trump das Kunststück wiederholen, die Vorwahlen bei den Republikanern zu gewinnen - und, voilà, fertig ist das Duell, das schon vor vier Jahren ausgefochten wurde.

Dass Biden mit 80 Jahren schon jetzt der älteste US-Präsident der Geschichte ist und am Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 86 alt Jahre wäre, mag das augenfälligste Charakteristikum dieser Kandidatur sein, aber kaum das wichtigste, was im Übrigen auch für die 76 Jahre gilt, die Trump auf dem Buckel hat.

Viel bemerkenswerter ist, dass die Führungsmacht der westlichen Welt, die weltweit führende Militär- und Technologienation, ein massives Problem bei der Kandidatensuche für den mächtigsten Job des Planeten hat. Dieser Umstand, und nicht das Alter der Kandidaten, sollte allen Partnern und Freunden der USA schlaflose Nächte bereiten.

Vor allem die Demokraten müssen sich fragen, wie es sein kann, dass sie weit und breit keine mehrheitsfähige Kandidatin oder Kandidaten aufzubieten haben. Das ist natürlich eine Konsequenz der fortlaufenden ideologischen Verengung auf beiden Seiten, die radikalen Bewerbern bei internen Vorwahlen unter den tendenziell ebenso radikalen Mitgliedern einen unschätzbaren Vorteil verschafft, aber für Wechselwähler oft wenig attraktiv ist.

Stand jetzt, scheint Biden der Kandidat der Demokraten zu sein, der die besten Aussichten hat, einen Herausforderer Trump im Herbst 2024 zu besiegen; immerhin hat er es im Jahr 2020 schon einmal geschafft. Ob das auch für alternative Kandidaten der Republikaner wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis (44) gilt, ist schon sehr viel ungewisser. Auch deshalb werden sich die Republikaner gut überlegen, ob sie den mit zahlreichen juristischen Verfahren und Klagen beschäftigten Trump noch einmal auf den Schild heben.

Trump kann die rechte Basis begeistern, aber wohl nicht noch einmal eine Präsidentschaftswahl gewinnen, weil er die für einen Sieg nach wie vor entscheidenden Mitte-Wähler verschreckt. Da reichen auch die strukturellen Vorteile nicht aus, die das US-Wahlsystem den Rechten bietet.

Trotzdem: Die Demokraten setzen mit dem amtierenden Präsidenten Biden auf Defensive, weil sie schlicht keinen besseren Kandidaten im Talon haben. Auch die nächste Wahl im für die freie Welt wichtigsten Staat wird damit erneut ein Kampf um die Seele der USA sein. Die Zukunft muss warten.