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Die letzte Krönung

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Charles’ Krönung ist ein Neubeginn - für viele der Beginn vom Ende der Monarchie.


Mit der Krönung von Charles III. beginnt eine neue Ära - nicht nur für Großbritannien. Was diese Zeitenwende, die vom Tod der Queen im Herbst ausgelöst wurde, für das Königreich, die britische Krone und die Staatsform Monarchie an sich bedeutet, ist ungewiss. Fest steht: Der neue britische König wird kaum ohne Bruch in die Fußstapfen von Elizabeth II. treten können. Mit ihr hat nicht nur eine Nation ihr gekröntes Oberhaupt verloren, sondern der Commonwealth eine globale Integrationsfigur, Großbritannien eine Garantin für Stabilität und die europäischen Monarchien ein zugkräftiges Role Model.

Das Konzept der Monarchie steht nicht erst seit 2022 auf dem Prüfstand, doch der Tod der Queen hat bei vielen Briten die respektvolle Zurückhaltung bröckeln lassen, die sie zu Lebzeiten ihrer Langzeit-Monarchin hochhielten. Zu teuer, zu abgehoben, letztlich nutzlos: Rund um die Krönung Charles’ III. werden Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern lauter, die nicht mehr bereit sind, für den royalen Pomp zu zahlen. Auch außerhalb des Landes keimen - etwa in Australien und Neuseeland - erneut Überlegungen auf, sich von der britischen Krone loszusagen und einer gänzlich republikanischen Zukunft entgegenzusehen. Die Monarchie, so der Tenor, sei ein nicht mehr zeitgemäßer Luxus: Der Rückhalt der Krone zerbröckelt, die Krönung von Charles könnte durchaus die letzte sein. Dem neuen König wird vielfach nicht zugetraut, Elizabeth II. als moralisch integere, aufopfernde Integrationsfigur mit internationaler Strahlkraft nachzufolgen.

Ein mögliches Ende der Monarchie in Großbritannien könnte einen Domino-Effekt für die noch verbliebenen - familiär eng mit London verbundenen - Königshäuser Europas bedeuten. Und damit das Ende der europäischen Monarchien einläuten. Für Großbritannien wären die Folgen jedenfalls drastisch - oder zumindest konsequent. Dieser Zerfall würde den Weg der Lossagung zu Ende gehen, den die Briten mit dem Brexit begonnen haben.

Das Konzept Monarchie erlebt eine Vertrauenskrise, von der viele traditionelle demokratische Institutionen betroffen sind - von Präsidenten bis zu Qualitätsmedien. Alle standen oder stehen sie für Kontinuität. Und die ist eine Größe, die Menschen erst vermissen, wenn sie sie verloren haben. Sollten sich die Staaten des Commonwealth oder Großbritannien selbst von der Krone lossagen, bliebe von einer gut vernetzten Weltmacht neben ihrer historischen Bedeutung nur eines übrig: eine isolierte Insel vor der Küste Europas. Was das verhindern könnte: dass es dem grünen Prinzen gelingt, sich als zeitgemäßer König jenseits einer Touristenattraktion neu zu erfinden.