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Europa braucht Skeptiker

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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In Krisenzeiten ein Budget zu schnüren fällt nie leicht. Warum sollte das bei der EU anders sein. Wobei: Einen Unterschied macht es schon, wenn statt Ministern gewählte Regierungschefs mit Vetos drohen. Aber auch das gehört irgendwie längst zur europäischen Folklore.

Dazu zählt auch jene "splendid isolation", in der sich Großbritanniens Politik seit jeher so gut gefällt. Diese kommt jedoch nun an eine Weggabelung, an der eine Grundsatzentscheidung zu Europa - in or out? - unvermeidlich wird. Dabei widersprechen Grundsatzentscheidungen der Grundüberzeugung britischer Politik, werden solche doch als Widerspruch zu jenem rationalen Pragmatismus empfunden, der seit jeher dem Inselstaat als außenpolitischer Leitfaden dient.

Was aber, wenn die EU-Partner eine solche Grundsatzentscheidung einfordern? Dann könnte sich rächen, dass noch jede britische Regierung der vergangenen dreißig Jahre zu Hause die Nachteile einer EU-Mitgliedschaft groß- und die Vorteile kleingeredet hat. Premier David Cameron müsste in diesem Fall darauf vertrauen, dass der rationale Pragmatismus in seinen Bürgern tiefer verwurzelt ist als der Glaube an die Taschenspielertricks im Umgang mit Brüssel.

Sollten sich die Briten eines Tages jedoch tatsächlich aus der EU verabschieden, gäbe es gute Gründe, diesen Schritt zu bedauern. London hatte von Anfang an eine ganz eigene Vorstellung von Europa - liberaler, offener sollte dieses sein, ein großer Markt, mit möglichst wenig Bürokratie und Beschränkungen. Diese Prioritäten haben die heutige Union bereichert.

Doch mittlerweile sind den Briten die Mitstreiter abhandengekommen - Polen folgt heute gemäß der Logik seiner Geografie Deutschland, Irland hängt am Finanztropf des Stabilitätsmechanismus und in Tschechien vertritt nur noch der abtretende Präsident die Ideale der Insel.

Kein Zweifel, ohne die Briten ginge vieles leichter. Ob auch alles besser wäre, ist zweifelhaft. Es ist einfach, die Rolle des Skeptikers zu denunzieren oder kleinzureden. Sie sorgt für den notwendigen Sand im Getriebe einer großen Maschine, die uns alle umtreibt.

Möglich, dass irgendwann die Opposition in einem richtigen europäischen Parlament diese Rolle einnimmt. Noch ist es allerdings nicht so weit. Deshalb sollte Europa, wenn es tatsächlich so weit kommen sollte, einen EU-Austritt der Briten nicht blauäugig bejubeln.