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Die Staaten als Zuschauer

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Wir sind gerade Zeugen des ersten weltweit koordinierten Frontalangriffs auf die internationalen Offshore-Netzwerke. Bemerkenswert ist, dass nicht die Staaten, sondern die Zivilgesellschaft, in diesem Fall die Medien, mithilfe zugespielter Datensätze über 2,5 Millionen Dokumente diese Attacke auf die stets anrüchigen, jedoch keineswegs zwingend illegalen Steueroasen reitet (nicht verschwiegen sei, dass kein heimisches Medium von den Koordinatoren eingeladen wurde, an der Auswertung der Daten mitzuwirken).

Die mächtigsten Regierungen finden sich nun in der erstaunlichen Rolle wieder, um die Weitergabe dieser brisanten Unterlagen demütig ersuchen zu müssen. Eindringlicher lässt sich die Verkomplizierung politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Machtstrukturen nicht beschreiben, die durch die digitale Revolution vorangetrieben wird. Den Konsequenzen kann sich niemand entziehen - kein Verbrecher, kein Staat und auch kein noch so braver Bürger.

Romantische Geister könnten nun versucht sein, von einer baldigen Verwirklichung der Idee einer Weltregierung zu träumen, die - ganz im Sinne Kants - für Frieden, Gesetz und Ordnung rund um den Globus Sorge trägt. Abgesehen davon, ob dies tatsächlich eine erstrebenswerte Vision darstellt (wogegen einiges spricht), sind wir davon weit entfernt. Bis jetzt haben sich die Gauner noch immer als kreativer und flexibler als die Gesetzeshüter erwiesen. Dafür muss nur die Aussicht auf den Gewinn das Risiko übersteigen, ertappt und zur Verantwortung gezogen zu werden. Angesichts von Reichensteuer-Ideen, die von 70 Prozent und mehr träumen, dürfte die Nachfrage nach steuerschonenden Anlageoptionen nicht kleiner werden. Mit der Nachfrage steigt schließlich zwingend das Angebot.

Trotzdem gilt: Die Refugien für Gesetzesbrecher aller Art, sie fallen wie Dominosteine. Den Anfang machte der Kampf gegen Menschenrechtsverbrecher. Längst kann sich kein Diktator mehr sicher fühlen, die Anklagebank nur aus der Ferne zu betrachten. Und seit Ausbruch der Finanzkrise wird mit zuvor unbekanntem Eifer zum Halali auf die Steueroasen der Superreichen und Kriminellen geblasen. Angetrieben wird dieser Kampf mindestens so sehr von der moralischen Empörung über Steuerbetrug im großen Maßstab wie durch die akute Finanznot der USA und Europäer.