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Jetzt muss die EU liefern

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

"Man braucht einen Bagger, um all die Berater aus den USA und der EU beiseite zu räumen." Der hellsichtige Kommentar von Michail Gorbatschow zur aktuellen Situation der Ukraine dürfte leider ungehört verhallen. Leider, denn der Westen stellt sich gerade recht ungeschickt an, auch wenn ihm die Maidan-Revolution viele Trümpfe in die Hand gespielt hat.

Wenn die EU nun klug ist, befreit sie sich von den guten Vorschlägen der Freunde aus den USA und gibt etwas von dem Vertrauensvorschuss an die Ukraine wieder zurück. Dazu gehört als Erstes ein bedingungsloser Überbrückungskredit in Höhe von drei Milliarden Euro, um das eigentlich insolvente Land über die Wahlen zu bringen. Und der Assoziierungsvertrag, den die EU der Ukraine vorlegte und dessen Ablehnung durch Präsident Wiktor Janukowitsch die Massenproteste in Kiew auslöste, muss auch überarbeitet werden - und zwar von Brüssel. Darin stehen wirtschaftliche Fesseln, die von keiner Regierung in Kiew hinzunehmen sind. Freihandel ist angesagt, nicht Beschränkungen bei den für die Ukraine wichtigen Getreideexporten.

Und dann wird sich die EU - als ob es sich um Griechenland handeln würde - beim Internationalen Währungsfonds um die Ukraine bemühen müssen. Ohne IWF-Programm kann das Land seine Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten.

Russland wäre bereit gewesen, einzuspringen - und wird es wohl auch weiterhin sein, wenn nach der Wahl eine Machtkonstellation herauskommt, der Moskau vertrauen kann. Und das ist beileibe nicht unmöglich, denn in einem haben die Russen recht: In der Ukraine erleben - als Teil der Maidan-Bewegung - faschistische Bewegungen wie die Swoboda einen Höhenflug. Nun ist es für die Ukraine großartig, die korrupte Janukowitsch-Partie aus den Ämtern gejagt zu haben, aber was und wer folgt? Der interimistische Generalstaatsanwalt in Kiew gehört zu Swoboda, das sollte die auf Rechtsstaatlichkeit pochende EU mindestens so alarmieren wie ein korruptes Regime.

Die EU-Institutionen, allen voran das EU-Parlament, werden in den kommenden Wochen ein waches Auge haben müssen. Sonst könnte sich am Ende herausstellen, dass Europa - mit falschen Wirtschaftsrezepten und aufs falsche Pferd setzend - in der Ukraine ähnlich unbeliebt dasteht wie jetzt das Janukowitsch-Regime.

Und ganz genauso davongejagt wird.