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Segregation

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Sollte es diese Regierung noch ernst meinen mit der Arbeit bis Herbst 2018, dem Ende der Legislaturperiode, braucht sie selbst einen Integrationsbeauftragten. Die sogenannte Notverordnung, die bei einer Flüchtlingszahl von 37.500 gelten soll, zeigt das ganz gut. Die SPÖ wartet auf den dazugehörigen Vorschlag der ÖVP-geführten Ministerien. Der Innenminister etwa will die Notverordnung vor einem Deal mit Ungarn. Die SPÖ ist dagegen. Tatsächlich ist die Frage ungeklärt, was mit Flüchtlingen passiert, die Österreich nicht mehr ins Land lässt und Ungarn nicht zurücknimmt. So zu tun, als ob es sie nicht gäbe, ist ja sinnlos. Eine gemeinsame Antwort darauf steht aus, was die Notverordnung auf die Ebene des "politischen Aktionismus" drückt.

Die zweite Frage lautet: Was ist ein Notstand? Der durch die Zuwanderung am stärksten belastete Arbeitsmarkt kann es wohl nicht sein. Denn der Notstand muss EU-Recht entsprechen - und Italiens Arbeitsmarkt ist noch viel stärker belastet. Dass viele Flüchtlinge Österreich generell bei der Integration überfordern, wäre auch eine Möglichkeit. Leider hat es aber bisher - wie auch die deutsche Bertelsmann-Stiftung festgestellt hat - kaum geeignete Integrationsanstrengungen gegeben.

Der Notstand wird also gar nicht so leicht zu konstruieren sein - und auch dabei handelt es sich um eine formalrechtliche Konstruktion, keine gesellschaftspolitische Wirklichkeit.

Es entsteht der Eindruck, dass die ÖVP das Flüchtlingsthema als Sprungbasis für ein frühes Ende der Regierung nutzen möchte. Der Vorschlag von Minister Sebastian Kurz mit den 1-Euro-Jobs ist mehr eine politische Provokation als ein ernst gemeinter Integrationsvorschlag.

Die fortschreitende Segregation der Bundesregierung ist aber ein viel größeres Problem als Burka-Verbot oder Billigst-Jobs. Denn die Flüchtlingsfrage ist beileibe nicht die größte Herausforderung für die heimische Politik.

Die Organisation der Republik (Bund, Länder, Gemeinden) führt - ebenfalls laut Bertelsmann-Stiftung - zu einem gefährlichen Innovationsstillstand. Wenn die Bundesregierung diese Fragen nicht ernsthaft angeht, fehlen qualifizierte Bürger und ebensolche Jobs. Darunter leiden dann alle, egal ob sie erst jüngst zugewandert sind oder seit Generationen da wohnen.

Ob sich ÖVP und SPÖ noch einmal zusammenraufen können, ist aber mehr als zweifelhaft.