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Leersprech und Knieschüsse

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Wer noch selber gehen kann, der stütze die anderen: Das ist das Motto für schwer angeschlagene Gruppen. Und der Satz gilt nicht nur für den Nachhauseweg nach ausgelassenen Feiern, sondern auch für Politiker unter Dauerdruck. Diese Form der Solidarität erinnert nur noch am Rande an die noble Geste von Starken für Schwache, hier sind alle in elender Verfassung, ungleich ist nur noch das Ausmaß.

Politisch passt dieses Bild auch auf Matteo Renzi, Angela Merkel und François Hollande, die sich am Montag bei Neapel wohlinszeniert zu Beratungen trafen. Weitere Minigipfel mit Merkel als Zentrum folgen diese Woche. Dass es längst um das größere europäische Ganze geht, macht auch die Eskalation der Symbolik deutlich: Pressekonferenz auf einem Flugzeugträger, Besuch am Grab des europäischen Vordenkers Altiero Spinelli, eines Kommunisten und Anhängers der Idee eines Bundesstaats, das - mehr geht kaum - auf einer ehemaligen Verbannungsinsel liegt.

Merkel, Renzi und Hollande eint, dass ihr politisches Kapital - aus unterschiedlichen Gründen - bereits zur Gänze oder jedenfalls beinahe aufgebraucht ist. Damit stehen sie innerhalb der EU nicht allein da. Was sie trennt, sind ihre grundsätzlichen Antworten auf die Probleme der Union wie Brexit-Schock, Flüchtlingskrise, hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Wachstumsraten. Auch darin spiegeln die drei verbliebenen Großen das Dilemma der EU wider.

Angesichts dieser Realitäten klingen Ankündigungen wie jene Renzis, bei dem Treffen gehe es um "die Neuerfindung Europas", genau so leer und abgehoben wie die europäischen Sonntagsreden der vergangenen Jahrzehnte.

Dingender als Visionen benötigt die gebeutelte Union jetzt konkrete Schritte, die den Bürgern den Mehrwert ihrer Gemeinschaft zeigen. Das wird aber nur klappen, wenn sich die an der Spitze nicht ständig selbst ins Knie schießen. In Zeiten, in denen die EU händeringend versucht, den Schutz ihre Außengrenze zu gewährleisten, sollte man vielleicht nicht - wie nun EU-Kommissionschef Juncker in Alpbach - Grenzen als die schlechteste Erfindung der Menschheit geißeln. Und auch der alte Trick, sein Schicksal mit dem Ausgang einer selbst angesetzten Volksabstimmung zu verbinden, ist keine gute Idee für Regierungschefs in Krisenzeiten. Spät, aber doch, hat das jetzt auch Renzi eingesehen. Der politische Schaden wird ihm bleiben.