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Auf Kollisionskurs

Von Marina Delcheva

Leitartikel
© Luiza Puiu

Keine Beschäftigungsboni für ausländische Arbeitskräfte, weniger Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, eine schärfere Entsenderichtlinie. Die Bundesregierung will angesichts der 475.000 Arbeitslosen mit einer Reihe von Maßnahmen den Druck auf den Arbeitsmarkt senken. In der Praxis soll das billige Arbeitskräfte aus dem Osten treffen, deren Zahl sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt hat.

Wie jede Geschichte hat auch diese zwei Seiten, nämlich die österreichische und jene östlich der Staatsgrenze. Und bei genauerem Hinschauen sollte ein Europa der zwei Geschwindigkeiten heute niemanden mehr überraschen. Als die Oststaaten ab 2004 der EU beitraten, taten sie dies in der Hoffnung auf Wohlstand und Arbeit. Und in der Tat, der Wohlstand und auch die ausländischen, allen voran österreichischen Firmen, kamen. Geködert wurden sie mit niedrigen Steuern und billigen Löhnen.

Spaziert man heute abseits der dank EU-Subventionen aufgehübschten Stadtzentren von Warschau und Bukarest, sieht man aber, dass der Wohlstand nicht überall angekommen ist. Und das liegt nicht nur an korrupten Regierungen, sondern auch an mächtigen Investoren aus dem Ausland. Wenn eine Regierung versuchte, Steuern, Mindestlöhne oder Umweltstandards anzuheben, lobbyierten die Investoren, auch die österreichischen, nicht sehr laut, aber umso wirksamer dagegen und drohten mit Abwanderung oder Klagen. So drohte der heimische Holzriese Schweighofer der rumänischen Regierung mit einer Klage vor einem Schiedsgericht, sollte sie die Umweltschutzgesetze verschärfen.

Irgendwann sind die Arbeiter gen Westen gezogen. Denn der Dumpinglohn hier ist höher als zu Hause. Man kann nun Unternehmen nicht vorwerfen, dass sie betriebswirtschaftlich handeln. Doch es führt dazu, dass Regierungen gegeneinander ausgespielt und Staaten in einen beinharten Standortwettbewerb getrieben werden. Die volkswirtschaftliche Rechnung wird Österreich nun serviert. Allein die Entsendung ausländischer Arbeitnehmern kostet den Staat laut KMU Forschung Austria 1,5 Milliarden Euro.

Wenn die EU eine reine Wirtschaftsunion bleibt und sich die EU-Staaten nicht auf vergleichbare Sozial- und Abgabenstandards einigen, wird sich Europa weiterhin auf zwei Gleisen bewegen, die allerdings irgendwann kollidieren. Und das wird beide Seiten aus der Bahn werfen.