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Zum Müssen verurteilt

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Frankreich ist also wild entschlossen, in Libyen Hotspots für Flüchtlinge einzurichten, um die Menschen von der Fahrt über das Meer abzuhalten. Sei es mit der EU oder allein, so erklärt es der Frankreichs Präsident Macron.

Als Außenminister Kurz im Juni das Gleiche forderte, hat der deutsche Außenminister Gabriel noch scharf gekontert: "Sie können in Libyen in einer Situation, wo es keinen Staat gibt, wo Schlepper die Herrschaft über solche Flüchtlingslager haben, wo Vergewaltigung, Totschlag und finstere Lebensbedingungen herrschen, nicht ohne Sicherheit Menschen zurückbringen."

Nun will Berlin den Vorschlag plötzlich prüfen. Das bestätigt das alte Vorurteil, dass es in der Politik eben vor allem darauf ankommt, von wem ein Vorschlag kommt.

Trotzdem kann es sein, dass Gabriel recht hat. Wollen allein reicht nämlich nicht, man muss auch können. Was herauskommt, wenn man vor allem will, aber nicht kann und trotzdem tut, darüber kann sich Macron bei seinem Vorvorgänger Nicolas Sarkozy informieren. Dieser zog 2011 gemeinsam mit den Briten aus, Libyen vom Joch des Gaddafi-Clans zu befreien. Seitdem tobt dort ein blutiger Bürgerkrieg, der erst dazu führte, dass von Libyen aus Schlepper Flüchtlinge gegen viel Bares gen Europa schicken.

Die Europäische Union weiß natürlich, dass sie zur Ordnungsmacht in ihren Hinterhöfen verurteilt ist. Die umfassen zumindest ganz Nordafrika und die Pufferstaaten zu Russland und den Kaukasus. Frieden, Stabilität und wenigstens die Chance auf ein klein wenig Wohlstand gibt es in diesen Regionen nur, wenn sich die Union engagiert. Das heißt: Die EU muss wollen und können, sie hat gar keine Alternative.

Und wer jetzt "Kolonialismus" brüllt, ist hoffnungslos von gestern. Wenn europäische Staaten - die EU-"Battle Groups" warten seit über zehn Jahren auf ihren ersten Einsatz - heute Truppen schicken, dann tun sie es in der Absicht, Menschenleben zu schützen, und nicht, um neue Einflusssphären zu erobern. In der Regel geschieht dies erst auf öffentlichen Druck hin und nicht aus Machtstreben. Die EU ist wahrscheinlich die bisher einzige politische Institution, die sich selbst zum Denken in den Kategorien von Macht und Einfluss zwingen muss.

Hotspots für Flüchtlinge sind ein erster, notwendiger Schritt auf diesem langen, steinigen und sehr, sehr teuren Weg für Europa.